Joel mit sechs Jahren

Joel wird 6 1

Für mich war es das erste Mal, dass ich am Geburtstag von einem meiner Kinder nicht live dabei war. Als Joel seinen 6. Geburtstag hatte saß ich noch in Deutschland fest, und der Großteil meiner Familie war bereits zurück auf Sansibar. Gefeiert wurde nicht all zu groß an diesem Tag und es gab auch keinen Kuchen – tja, Mama war nicht da. Aber dafür war Papa zur Feier des Tages mit den Kindern nachmittags am Steg und sie haben ein wenig geangelt. Joel liebt es, dort zusammen mit seinem Papa zu angeln!

Außerdem haben sich die großen Schwestern vorbildlich darum gekümmert, dass der Frühstückstisch die festliche Note bekommt: ein paar Blumen aus dem Garten und natürlich Kerzen. Besser hätte ich das auch nicht machen können 🙂 .

Joel 6. gbt 1 Joel 6. gbt 2

Es ist ein seltsames Phänomen, und evt. leide auch nur ich darunter. Aber irgendwie kann ich mir gar nicht vorstellen, dass Joel tatsächlich schon so alt sein soll. Und er ist ein großer Junge – war er ja schon von Anfang an.

Joel liebt es, wenn er unter Leuten sein kann. Kürzlich hat er mir erzählt: „Weißt Du Mama, ich kann überall Freunde finden. Das geht ganz leicht!“ Und ich muss ihm Recht geben, denn er findet in der Regel tatsächlich sehr schnell Anschluss. Deshalb hat es mich auch so verwundert, dass er während seiner Zeit im deutschen Kindergarten gerade an diesem Punkt so große Probleme hatte. Das kam für mich völlig unerwartet und hat mir so leid für ihn getan, da ich weiß, wie wichtig es ihm ist, mit anderen Kindern zusammen zu sein. Er hatte dort zwar viel Gesellschaft, da es ein großer Kindergarten war, aber einen richtigen Freund hat er in den 4 Monaten nicht gefunden. Umso glücklicher war er dann auch, als er wieder in seiner Klasse und unter seinen Freunden sein durfte. DAHEIM!

joel unten

Neulich hat er mir erklärt, dass er den deutschen Kindergarten nicht so sehr gemocht hat, weil man dort nämlich immer nur gespielt und nichts gelernt hat. Und das fand er doof. Ja, er ist sehr wissbegierig und in der Regel auch schnell in der Auffassung. Umso trauriger ist es, dass dieses Schuljahr für ihn bisher so unbeständig ist. Seine Motivation hat sichtlich nachgelassen und er hat mir kaum noch davon erzählt, was sie so den lieben langen Tag in der Schule machen und was er gerade lernt.

Obwohl er Bücher von klein auf total liebt und wirklich Stunden damit verbringen kann, zählt das Lesen selbst nicht gerade zu seinen Lieblingsbeschäftigungen. Er hat sich deutlich weniger schwer getan, als ich das von seinen Schwestern in dem Alter gewohnt war. Aber inzwischen merkt man von dem anfänglichen Blitzstart nicht mehr all zu viel. Die klassischen Spieglungs-Dreher hat er auch sehr ausgeprägt. So wird aus einem on schnell mal ein no oder er verwechselt das d mit dem b, oder er liest was statts saw usw. Anfangs hat er auch aus t immer ein f gemacht. Drehung in alle Richtungen 🙂 Mit den Zahlen kann er das genauso gut!

Aber ich kann mich noch deutlich daran erinnern, dass es mir als Kind ganz genau so ergangen ist. Ich hatte da meine typischen Zahlen und Buchstaben, bei denen ich mir jahrelang nicht sicher war, wie rum sie denn nun eigentlich gehören. Als ich vom Alter her frisch in der Schule war bin ich manchmal sogar mit meinem geschriebenen Namen zum Spiegel in unserem Flur gelaufen. Und wenn ich den Namen im Spiegel gelesen habe, dann fiel es mir immer wie Schuppen von den Augen und ich wusste genau, ob ich es nun richtig geschrieben hatte oder mal wieder spiegelverkehrt.

Zurück zu Joel. Wenn es also ums Lesen geht, zeigt sich bei ihm – wie zuvor schon bei seinen Schwestern – die starke Neigung, Wörter im Sinnzusammenhang zu erraten anstatt sich die Mühe zu machen, das tatsächliche Wort zu erlesen. So gesehen ist auch alles interessanter, als der Text selbst. Seine Augen wandern wie wild über die Seiten und er entdeckt ständig neue Dinge – aber lesen was da steht?! Und wenn er zwischendurch tatsächlich mal voller Konzentration beim Text bleibt, dann kommt er je nach Schwierigkeitsgrad echt zügig voran und überrascht mich immer wieder. Allerdings kommt es nicht selten vor, dass er Texte auswendig kann. Denn sobald er kurze Textabschnitte und Bücher mit wenigen Seiten ein bis zweimal gelesen hat, muss er nur die Seite sehen und er „liest“ flüssig vor. Eine schöne Gabe; aber fürs tatsächliche Lesen lernen doch eher hinderlich.

Hier zu Hause hat er es oft nicht leicht mit seinen drei großen Schwestern. Sie spielen zwar inzwischen deutlich öfter und besser zusammen, als das vor ein bis zwei Jahren noch der Fall war. Aber so wirklich auf seine Kosten kommt Joel dabei eher selten. Seine Interessen und die Art, wie er spielt, entsprechen nicht zwangsläufig der Vorgabe seiner Schwestern. Dies hat zur Folge, dass es leider oft früher als später knallt und der Junge in lautes Weinen ausbricht. Manchmal hat er durch eine ungeschickte Bewegung etwas vom aufgebauten Reich kaputt gemacht. Oder er hat keine Lust mehr, immer nur der Handlanger zu sein und in vorgeschriebenen Mini-Rollen zu agieren. Nasya ruft aufgebracht: „Der will immer nur der Held sein! Aber das brauchen wir hier nicht!“

joel boxtJoel und josia

Mit seinem Bruder macht er vor allem ganz viel Unfug. So findet man die beiden oftmals auf dem Boden vor, der eine über dem anderen und immer ziemlich viel Gelächter dabei. Josia klatscht ihm auf den Bauch, setzt sich mitten auf sein Gesicht, drückt und schiebt und küsst… tja, und manchmal gibt es dann auch Tränen, weil Josia zu grob ist. Abends spielt sich das gleiche in der Badewanne ab, denn Joel lässt sich selten davon abhalten, sich zum kleinen Bruder in die Babywanne zu quetschen.

joel und josia baden

Joel liebt es, zu erzählen. Und er zeigt auch echte Fantasie, wenn er sich irgendwelche Geschichten ausdenkt und zum Besten gibt. Wenn er von Dingen erzählt, die er erlebt hat, dann strahlt sein Gesicht wirklich aus allen Winkeln. Und dieses Strahlen ist so wunderbar und ansteckend. Ich hoffe, es bleibt ihm erhalten!

Mit seinem Lachen ist das genauso. Das hört man hier auch täglich durchs Haus schallen: laut, von ganzem Herzen und ansteckend. Richtig extrem ist es immer dann, wenn seine Freundin Mili zu Besuch ist. Die beiden stromern stets durchs ganze Haus, spielen mal hier, mal dort und zwischendurch mal kurz draußen. Meist sind sie nicht sehr lange an einer Sache dran und sie hinterlassen häufig eine breite Schneise der Verwüstung. Aber all das unüberhörbar umwoben von ganz viel Gegacker und Gelächter…

joel mit mili ajoel schläft mit Buch

Bücher findet man in großen Mengen in seinem Bett, denn das gehört für ihn zum festen Abendritual. Und bis heute kommt es vor, dass Joel mit einem Buch in der Hand einschläft. Er hat eine große Vorliebe für Comics – Donald Duck, Asterix oder Petzi. So findet man ihn auch tagsüber immer mal wieder tief versunken in ein Buch auf dem Sofa oder in seinem Zimmer. Und dabei kann er auch erstaunlich lange richtig ruhig sitzen. Sonst ist das eher nicht so seins, denn selbst beim Essen oder beim Film schauen ist der Junge gefühlt ununterbrochen in Bewegung! Ich frag mich, wie das in der Schule aussieht :-0

joel als affe

Richtig glücklich ist er immer dann, wenn er mit seinem Papa unterwegs sein oder ihm helfen kann – aber es muss auch interessant sein, sonst bleibt er vielleicht doch lieber daheim bei seinem Buch. Am liebsten würde er jeden Tag ein Feuer im Garten machen –  der Verbrauch an Streichhölzern hat merklich zugenommen -, oder mit einem seiner Messer Hölzer anspitzen, ein wenig sägen oder mit dem Luftgewehr schießen. joel mähtjoel flext

Ich finde es immer wieder erstaunlich, wie sehr Joel in den Extremen lebt und sich seine Stimmung innerhalb von einer Sekunde komplett ändern kann. Es ist also keine Seltenheit, dass er laut weinend und ziemlich aufgelöst zu mir kommt – weil er sich z.B. weh getan hat oder geärgert wurde oder etwas nicht so klappt, wie er es sich vorstellt – und plötzlich sieht er etwas oder jemand sagt was und er lacht genau so laut los, wie er gerade noch geweint hat. Noch die Tränen in den Augen und das Gesicht zwischen Lachen und Weinen – aber was auch immer vorgefallen war, ist nun von einem neuen Ereignis überlagert.

In diesem Sinne vergeht selten ein Tag, an dem er nicht mindestens einmal geweint hat. Das kommt zum einen daher, dass er wirklich ziemlich tollpatschig sein kann – seine Geschwister sind da bei weitem nicht so „begabt“ wie er; aber sein Vater dafür umso meh. Selbst beim Laufen schafft er es, sich so doof den Zeh anzuschlagen, dass das Blut strömt. Und zum andern weint er leider auch gefühlt bei jeder Kleinigkeit. Aber das Lachen überwiegt bei weitem – und das ist gut so!

Wir lieben Dich über alles!

Ein Kommentar

  1. Die Blumen zum Geburtstag aus dem Garten kenne ich noch aus Mbesa!! Joel, schön, dass es dich gibt!!!!!!!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.