Übers Meer, durch die Großstadt und ab in die Berge…

Mein Blick wandert erneut auf die Armbanduhr und die dumpfe Vorahnung wird zur Gewissheit. Eigentlich hätte ich es wissen müssen, aber ich hatte insgeheim gehofft, dass unser neuer Rektor die Veranstaltung nicht unnötig in die Länge zieht. Aber die Abschluss-Assembly hatte bereits 10 Minuten später begonnen und dann standen einfach viel zu viele Aktionen auf dem ungeschriebenen Programm. Wie üblich wurden unzählige Zertifikate an die Schüler verteilt, es gab Medaillen für die Schwimmer, die beim Wettkampf in Dar es Salaam waren – also auch eine für Nasya, die „Queen of Breaststroke“ (wie sie von ihrem Schwimmlehrer immer genannt wird), es gab ein Karate- und Judovorführung, welche die ungeteilte Aufmerksamkeit aller Anwesenden sicher hatte, und dann sollte noch der Chor singen und und und…

Aber ich hatte für all das innerlich keine Ruhe, da die Zeit hörbar am Ticken war. Vermutlich war diese gute halbe Stunde die längste Zeit, die ich seit Tagesbeginn am Stück sitzen verbracht habe. Den ganzen Vormittag bin ich gefühlt ununterbrochen von A nach B gerannt, habe Koffer gepackt, Wäsche gewaschen, auf- und wieder abgehängt, Lebensmittelreste versorgt, sonstigen Kleinkram weggeräumt, Listen geschrieben und zugleich abgearbeitet. Als ich so da saß, mir den Schweiß mit dem Kopftuch von der Stirn gewischt und erneut einen Blick auf meine Armbanduhr geworfen habe, wurde mir klar, dass wir definitiv nicht bis zum Ende bleiben können, wenn wir noch rechtzeitig unsere Fähre erwischen wollen. Also habe ich im Eilschritt die Klassenzimmer der Kinder abgeklappert, um ihre Schultaschen einzusammeln, und anschließend die Kinder von ihren Sitzplätzen geholt. Die Veranstaltung war noch am Laufen und gerade der Part, bei dem ich gerne dabei gewesen wäre, stand noch aus: die Verabschiedung von Annelies Klassenlehrerin. Naja, aber man kann nicht alles haben und die Fähre wartet nicht!

Wir haben uns aus der Halle geschlichen und kurz bei Romys Lehrerin abgemeldet. Dann ging es zügig nach Hause, wo sich alle noch schnell umziehen mussten, während Ha-Di das Gepäck im Auto verstaut hat. Und schon ging es los in Richtung Hafen. Auf den Straßen war viel los, aber wir haben es trotz kleiner Stauung rechtzeitig geschafft. Schnell war das Auto wieder entladen und die Koffer auf dem Weg zur Fähre. Das Meer lag ruhig und glatt vor uns und sah aus wie ein großer Spiegel, auf der man problemlos hätte laufen können. Wir haben glücklicherweise noch freie Sitze in der ersten Reihe gefunden – da hat man wenigstens Platz für die Beine. Für einzelne Kinder gab es vorab noch eine kleine Tablette gegen Übelkeit und dann sind wir fast auf die Minute genau in See gestochen.

Auch wenn der Start sehr ruhig war, so kamen die Wellen leider doch noch… wir waren zwischendurch immer mal wieder an der frischen Luft – dann geht es mir in der Regel wieder besser. Da draußen spürt man auch sehr deutlich, wie zügig die Fähre unterwegs ist. Die Kinder haben den Wind und die spritzenden Wellen genossen 🙂 Außerdem wurde das mitgebrachte Brot und die Melone verspeist, währenddessen die Kinder ein wenig Film auf dem Computer angeschaut haben. So haben wir die knapp 2 Stunden Überfahrt insgesamt gesehen gut überstanden.

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Wir haben unsere Sachen gepackt, Josia in der Trage verstaut und uns für den Ausstieg bereit gemacht, als Joel uns seinen Zahn präsentierte. Ha-Di hat ihn schnell in seiner Handyhülle verstaut und dann gingen die Türen auf und wir konnten vom Boot. Auf der Landungsbrücke haben wir die Kinder ein wenig abseits der Menschenmassen „geparkt“, um nach unserem restlichen Gepäck zu schauen. Recht schnell hatten wir unsere zwei Koffer, das Reisebett und die restlichen zwei Trolleys in den Händen und konnten uns vollbepackt unter Mithilfe eines Gepäck-Trägers zum Ausgang durchkämpfen. Dort wird man immer schon von den Massen erwartet, die einem beim Tragen helfen wollen oder ein Taxi oder irgendwelches Essen anbieten.

Unser Abholdienst stand zum Glück schon für uns bereit und wir hatten schnell all unser Gepäck inklusive Kinder im Auto verstaut. Von dort aus ging es zum Gästehaus, wo wir schon mit einem leckeren Abendessen erwartet wurden. Wir haben unsere Übernachtungstasche ausgepackt und dann hat Ha-Di das Auto nochmals richtig geladen. Nach dem Abendessen ging es unverzüglich unter die Dusche und anschließend ins Bett. Josia war leider sehr unruhig und ist erst extrem spät eingeschlafen. Es war aber auch richtig schwül und heiß.

Wir hatten eine kurze Nacht vor uns, da wir um 4 Uhr aufbrechen wollten. Unglücklicherweise war es auch eine ziemlich unruhige Nacht. Josia hat mehrfach geweint und Joel ist zwischendurch aus seinem Bett gefallen, musste mal aufs Klo usw.

Der Start in den sehr frühen Morgen verlief dennoch gut und die Kinder haben sich schnell umgezogen und ins Auto begeben. Wir kamen problemlos durch Dar es Salaam. Einzig und allein die ganzen Speedbumps (=kleine Hügel auf der Straße zum Zweck der Geschwindigkeitsreduzierung) haben uns aufgehalten. Die Kinder haben mit der Zeit schon angezweifelt, dass es überhaupt noch irgendwann Tag wird… aber die Dämmerung kam und irgendwann wurde dann auch Josia wach. Die Stimmung im Auto war die meiste Zeit sehr gut und dank Hörspiel-Dauerbeschallung wurde es den Kindern auch nicht langweilig.

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Unser erstes Etappenziel (Morogoro) haben wir gegen 7 Uhr erreicht. Eigentlich wollten wir hier eine kleine Frühstückspause einlegen, aber unsere Suche schien fast erfolglos zu sein. Nach mehreren Anläufen haben wir endlich einen Platz gefunden, wo es nicht nur Tee und Kaffee, sondern auch Mandazi und Kuchen gab. Da keine richtigen Sitzgelegenheiten vorhanden waren, haben wir das Essen mitgenommen und sind direkt weiter gefahren. Allein die Suchaktion hatte uns schon 30min Zeit gekostet. Als Ha-Di dann noch Grillfleisch am Straßenrand entdeckt hatte (Ziege am Stiel), war es um ihn geschehen. Mir wurde schon beim Geruch fast übel – sowas brauch ich nicht zum Frühstück um kurz nach 8 Uhr! Aber er fand es super lecker und Nasya war direkt mit von der Knabber-Partie.

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Schon kurze Zeit später kamen wir zu dem Streckenabschnitt, wo die Straße durch einen Nationalpark führt. Wir haben unsere Geschwindigkeit gedrosselt und nach Tieren Ausschau gehalten. Wir konnten Affen, Gazellen, Giraffen und weit entfernt sogar Elefanten erspähen. Nebenbei hat uns Romy erklärt, was der Unterschied zwischen einem Jäger und einem Wilderer ist. Wir hatten nämlich einen bewaffneten Mann am Straßenrand marschieren sehen, was sofort zu den wildesten Spekulationen geführt hat 🙂

Nach Mikumi kam die Steigung. Es war zum Glück immer noch relativ wenig Verkehr, aber dennoch mussten wir regelmäßig LKWs überholen. Wir waren zu diesem Zeitpunkt auch schon gute 6 Stunden unterwegs und hatten etwas über 300km bewältigt. Die Landschaft war sehr schön und abwechslungsreich: Berge, Steilwände, Affen auf den Leitplanken und Straßenpfeilern, ein Fluss im Tal, Licht und Schattenspiele dank der Wolken…

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Ein Teil von uns hatte bereits beim ersten Stopp in Morogoro die Pipi-Pause absolviert. Aber die Mädels waren nicht davon zu überzeugen, dass man auch auf einem Stehklo reibungslos ein Pipi machen kann. Ein anderes haben wir auf die Schnelle leider nicht gefunden, und so war die Not irgendwann unausweichlich. Wir haben eine kleine Pause am Straßenrand eingelegt und sind in die Büsche. Aber bis das tatsächlich möglich war, musste vorab eine gehörige Portion an gutem Zureden erfolgen.

Ach ja, Tanken mussten wir natürlich auch immer mal wieder zwischendurch, da unser Auto ziemlich gut trinkt und die Vielzahl an Speedbumps zusätzlich ihre Sprit-Kosten mit sich bringen. Und so sieht es dann an einer „Autobahn-Raststätte“ am Tanzania-Zambia-Highway aus. Ha-Di hat den Stopp für eine weitere Shoppingtour genutzt und unsere Essensvorräte um Mangos und Melone erweitert.  Es stand aber noch viel mehr zum Verkauf bereit. Im Rückspiegel erkennt man die Tankstelle.

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Beine vertreten, sich strecken, frische Luft schnappen – die in dieser Gegend allerdings noch recht schwül war – und Steine suchen. Die Kinder waren total fasziniert, was es hier für besondere Steine zu finden gibt. Am liebsten hätten sie eine ganze Wagenladung davon im Auto verstaut. Und ich fand die Blumen wunderschöne, besonders diese kleinen, weißen „Sternchen“, die wie ein flächendeckender Teppich über die rote Erde ausgebreitet waren.

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Die Landschaft und Vegetation zeigte sich durchweg abwechslungsreich. Und  gerade als wir eine sehr enge Strecke Serpentinen zu bewältigen hatten kam der Regen. Da gab es dann so manch kurze Schock-Momente, als einem in der Kurve plötzlich ein Bus oder LKW beim Überholen entgegen kam und die Straße definitiv keinen Platz für eine dritte Spur geboten hat.

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Die Berge waren übersät mit Steinen in allen Formen und Größen. Es sah aus, wie wenn jemand unzählige Murmel willkürlich über die Hügelketten verstreut hätte. Ich konnte mich gar nicht satt sehen an dieser einzigartigen Hügel-Welt. Manche  dieser Felsbrocken wurden zu Werbezwecken genutzt. Und es gab Sonnenblumen! Damit hatte ich überhaupt nicht gerechnet. Richtige Felder voller Sonnenblumen, teils auch gemischt mit Mais.

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Die gesamte Strecke ist übersät mit Geschwindigkeitsbegrenzungsschildern. Sobald eine kleine Ortschaft kommt oder eine Kreuzung, erscheint in der Regel ein 50er-Schild gepaart mit kleinen und großen Speedbumps. Und die Polizei ist gut ausgerüstet mit handlichen Messgeräten, so dass wir nicht nur einmal angehalten wurden und eine Verwarnung bekamen. Ha-Di hat dann direkt seinen Diplo-Ausweis gezückt und nach einer kleinen Gesprächsrunde konnten wir unsere Reise ohne weiteres vorsetzen. Seit dem Besuch des Bundespräsidenten ist mein Mann bekannt wie ein bunter Hund – was in gewissen Situationen von großem Nutzen ist 🙂

Die Verkaufsstände am Straßenrand wurden zunehmend monotoner hinsichtlich ihrer angebotenen Waren; irgendwie gab es nur noch Tomaten, Zwiebeln und teils noch ein paar Kartoffeln.

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Pippi hat sich gerade von der Frau Lehrerin verabschiedet und ihre vorgezogenen Ferien begonnen; die Sache mit der Plutimikation war dann doch nicht wirklich ihr Fall. Und da haben wir linkerhand das Hinweisschild entdeckt und sind von der Hauptstraße auf eine Dreckstraße abgebogen. Es war inzwischen fast 13 Uhr – folglich waren wir seit 9h unterwegs. Wir hätten nie damit gerechnet, dass wir die 500km fast non-stopp hinter uns bringen würden. Aber die Kinder haben so super mitgemacht, dass wir gefahren sind, was das Zeug hergab.

Wir waren am Ziel, aber zeitgleich mit uns kam leider auch der Regen an, was fürs Entladen nicht so praktisch war. Immerhin gab es direkt nach getaner Arbeit ein warmes Mittagessen für uns. Perfektes Timing 🙂

Ein Kommentar

  1. Mensch Doro, du bist ja zeitnah in der Berichterstattung 😉 Danke für diese vielen Bilder und den ausführlichen Bericht. Ich bin gerade mit meinem Mann kurz eingetaucht.

    Liebe Grüße
    Andrea

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