Von zarten Anfängen und schmerzvollen Abschieden

Über unseren November habe ich eigentlich schon relativ ausführlich berichtet. Aber in diesen paar Wochen ist noch so viel mehr um uns herum passiert. Und als ich so am Schreiben war, wurde es irgendwie zu viel auf einmal. Außerdem wirkte einiges deplatziert zwischen all den bunten Bildern und dem Sammelsurium an Alltäglichkeiten.

Dabei spiegelt genau das die Gleichzeitigkeit des Lebens, denn Leben und Sterben, Lachen und Weinen, Empfangen und Loslassen gehören trotz ihrer Gegensätzlichkeit zueinander. All das ist Teil unseres Lebens, welches sich in unfassbar vielfältigen Facetten präsentiert. Manchmal ist es das alles gleichzeitig und noch mehr.

Wenn Du magst, darfst Du in meinen Versuch hineinhören, diesem Spektrum an hohen und tiefen Tönen ein Gewand aus Worten zu schneidern. Es hinkt mit Sicherheit weit zurück hinter einer harmonischen Symphonie, außerdem stolpert es´´ phasenweise vor sich hin und bleibt an vielen Stellen fragil und bruchstückhaft. Aber so ist es eben, das Leben. Meins zumindest.

Zu dieser Jahreszeit konfrontiert uns nicht nur die Natur unausweichlich mit dem Thema Abschied und Tod, auch das Kirchenjahr neigt sich im November seinem Ende. Wir Gedenken den Verstorbenen, Kränze werden an den Kriegsmahnmalen niedergelegt, Grabschmuck und Ewigkeitslichter füllen die Angebotsregale vieler Supermärkte.

Ich vermisse meine Mama! Dieses Gefühl kommt und geht selbst nach all den Jahren ohne jegliche Logik. Es ist wie ein sanftes Lied, welches während der beiden abschließenden Monate in besonderer Weise gegenwärtig ist. Die Erinnerungen an ihre letzten Wochen und Tage drängen sich ohne Zutun in unterschiedlichen Zusammenhängen und mit Nachdruck in mein Bewusstsein. Manchmal scheint es gar so, als wäre all das erst gestern gewesen…

Und nun ist auch ihre Mama nicht mehr bei uns. Ich werde sie nicht, wie in den Jahren zuvor, an Heiligabend besuchen, denn sie ist heimgegangen, angekommen an dem Platz, wo ihr Herz schon lange sein Zuhause hatte…

Eine Freundin erzählt mir von ihrer Traurigkeit und dem großen Schmerz, da der zarte Herzschlag des neuen Lebens, dieses kleine Hoffnungsflimmern, nicht mehr ist. Wo nur Tage zuvor freudiges Erwarten die Gedanken erfüllt hat, lagern nun Leblosigkeit und Stille wie ein bleierner Schleier über allem. Das eigene Herz wiegt so unsagbar schwer in solchen Zeiten. Man kann weder begreifen noch beschreiben, was in einem vor sich geht. Alles verschwimmt im Nebel – unwirklich und undurchsichtig, zugleich so schwer und kalt.

Um uns herum gab es in diesen Novemberwochen auch wärmende Lichter der Hoffnung und Freude, wie z.B. die schöne Nachricht einer lieben Freundin, die sich auf ihr erstes Kind freut. Wir freuen uns mit ihr und wünschen ihr eine möglichst unbeschwerte Schwangerschaft, auch wenn die Übelkeit bislang noch nicht ganz von ihr abgelassen hat.

Und dann ist da noch dieses junge Elternglück in unserem Nachbarhaus. Dort wurde vor wenigen Tagen ein kleines Menschlein geboren. Ein Anfang, dem jedes Mal aufs Neue ein wunderbarer Zauber innewohnt und welcher mich mit einer besonderen Art von Dankbarkeit und Staunen erfüllt. So ertappe ich mich dabei, wie ich immer mal wieder nach oben zum Fenster spähe, um einen kurzen Blick aus der Ferne auf dieses ganz frische Familienglück zu erhaschen. Es ist ein flauschiges Gefühl… und leider schon wieder so lange her, als es in unserem Zuhause gewohnt hat.

Eine Frau aus unserer Frauenfrühstücksgruppe befindet sich auf der Zielgeraden ihrer Schwangerschaft und in wenigen Wochen wird sie ihr kleines Bündel Glück liebevoll in die Arme schließen und in ihrer Familie willkommen heißen können. Noch heißt es warten. Warten auf die Ankunft. Gespanntes Warten auf ein kleines Menschenkind, das zart wie eine Blüte bereits von Anbeginn voller Farben und Lebenskraft steckt, einmalig und wunderbar gemacht.

Wir sitzen beim Abendbrot, als Annelie von diesem Mädchen erzählt. Eine ihrer Freundinnen kannte sie gut, auch wenn sie schon längere Zeit kaum noch Kontakt zu ihr hatte. Die zwei Großen steigen in das Gespräch ein, da sie während des Nachmittagsunterrichts Teile davon aufgeschnappt hatten. Das Kind ging bis vor gut 2 Jahren noch auf ihre Schule. Es sind keine konkreten Erinnerungen da, um welches Mädchen es sich handeln könnte. Sie war wohl in der Stufe unter Romy. Etliche Lehrer kannten sie; und die Nachricht von ihrem Freitod traf tief.

Nur wenig später schreibt mich meine Freundin an und berichtet betroffen von demselben Vorfall. Sie kennt die Mutter flüchtig von früher. Obwohl keiner aus unserer Familie das Mädchen richtig gekannt hat, macht sich eine spürbare Traurigkeit bei uns breit.

In den folgenden Tagen nimmt die Gewissheit zu, um welches Kind es sich handelt. Einige Freunde halten an der Schule eine kleine Gedenk- und Trauerfeier. Romy und Nasya wissen inzwischen den Namen des Mädchens und einzelne Bilder der Erinnerung tauchen auf. Sie war auffällig, nicht nur, aufgrund ihrer selbst zugefügten Verletzungen. Sie war in psychologischer Betreuung… und ist letztlich doch am Leben verzweifelt.

Sie erlebte ihren 16. Geburtstag und nur wenige Tage später wählte sie den Tod! Wir sind mit unseren Gebeten bei den Eltern und ihrer älteren Schwester.

Es vergeht kaum eine Woche, als eins meiner Mädels aufgewühlt davon berichtet, dass die jüngere Schwester ihrer Freundin auf eigenen Wunsch hin in eine jugendpsychiatrische Einrichtung gehen möchte. Sie will nicht mehr Leben! Ein Schockmoment auch für mich, da ich das Kind und ihre Familie ebenfalls kenne und mich erst neulich mit ihrer Mama unterhalten habe – unter anderem auch über sie. Diese Unlust auf Schule und auf alles, was dazu gehört, umlagert sie seit vielen Monaten. Sie wurde zurückgezogener, desinteressierter und sichtlich freudloser. Ein Schulwechsel brachte zwar eine Veränderung, aber wohl doch nicht die erhoffte Wendung zur Besserung?!

Dunkelheit und Kälte machen leider vor unserer Haustür nicht automatisch halt. In solchen Augenblicken kriechen sie wie unaufhaltsame Nebelschwaden bis tief in unser Herz hinein. Wir spüren die Schwere, den Schmerz, die Traurigkeit und Verzweiflung. Es ist einfach alles zu viel…

Aber ich treffen für mich die Entscheidung, dass diese Gedanken und Emotionen hier nicht Wohnung nehmen dürfen. Und mir wird wieder neu bewusst, wie dringend wir alle ADVENT nötig haben.

Mit dem Beginn der Adventszeit ziehen die Lichter ein. Wir erleben es alle Jahre wieder, überall um uns herum – zumindest in dieser Region der Erde, wo ich momentan Zuhause bin. Tag für Tag werden es mehr Lichter. Und mit einem jeden Licht, möge es auch noch so klein und unscheinbar daherkommen, wird es Stück für Stück ein kleines bisschen heller. Heller, wärmer, hoffnungsvoller.

Genau das haben wir vor kurzem selbst erleben dürfen. Da war dieser Abend bei uns im Esszimmer. Romy hatte eine Freundin eingeladen, die einige Fragen zum Glauben hatte und Romy nicht so richtig wusste, wie sie ihr weiterhelfen kann. Also hat sie einfach ihren Papa gefragt. Und nun saßen wir da und haben mit Papier und Stift eine kleine Zeitreise durch die Bibel gemacht. Fragen wurden gestellt, Antworten entdeckt, Zusammenhänge erkannt und am Schluss kam ihr JA. Ihr JA zu Jesus und die Freude über ein neues Leben!

Alle Lichter, die wir anzünden, zeugen von dem Licht, das da erschienen ist in der Dunkelheit. Friedrich von Bodelschwingh

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