Sie tauchen immer wieder auf, diese Phasen, wo ich gefühlt ausgekocht habe. Da ist dann so gar kein Impuls und so gar keine Idee in mir vorhanden, was ich als Mahlzeit für meine Familie zubereiten könnte. Früher habe ich es meist kopfschüttelnd belächelt, wenn von meiner Mutter mal wieder das Kommentar kam: „Ach, was soll ich denn heute bloß wieder kochen?“
Nun ist mir dieser Satz geläufiger, als mir lieb ist. Woran liegt das nur? Mangel an Vielfalt und Auswahl ist es definitiv nicht – zumindest nicht im deutschen Lande. Das war in unserer Sansibarzeit durchaus ein bisschen anders. Aber selbst dort hatten wir eine gewisse Auswahl und Abwechslung in unserem Menüplan.
Bei mir persönlich scheint dieses Gefühl von „ausgekocht“ aber auch in einer geheimen Verbundenheit mit dem Phänomen Alltagsmüdigkeit zu stehen. So gesehen ist es kein gutes Zeichen, wenn es sich pünktlich zum Start des neuen Schuljahres bemerkbar macht und mir seither jeden Tag selbstsicher von der Seite aus zuwinkt. Ich hab dich weder bestellt noch willkommen geheißen!
Grundsätzlich gesehen würde ich mich keineswegs als Alltagsmuffel betiteln, denn ich sehe und schätze viele Vorzüge des sogenannten Alltags, wie vertraute Routinen, verlässliche Stundenpläne und konstante Termine. Aber im Moment fehlt mir leider noch der Zutritt und ich hänge noch an etlichen Stellen ganz sprichwörtlich in der Luft – oder einfach noch ein bisschen nach? Kann man unter Jetlag leiden, selbst wenn man kein Zeitzonenreisender war?
In mir formiert sich der Eindruck, oder vielleicht ist es auch nur ein Gefühl, dass es meine Seele ist, die derzeit gejetlagt ist. Da hängt noch ziemlich viel nach, und das obwohl wir in den zurückliegenden Wochen Urlaub erlebt haben und in diesem Setting irgendwie auch Pause, viel Schönes, freie Zeit mit der Familie und und und…
Aber zugleich wurden in diesen vergangenen Wochen auch manches Süppchen gekocht – oder eher verkocht?! -, die nun vor mir stehen und auszulöffeln wären. Ob mir der Appetit danach steht und ob ich sie bestellt habe, danach werde ich nicht gefragt.
Wir hatten versucht, die Zusammenstellung der Mahlzeit nach unseren Interessen mitzugestalten. Wir haben uns sogar die Mühe gemacht, aktiv zum Kochen beizutragen. Zumindest hätten wir die Liste der Zutaten sehr gerne nach unseren Wünschen mitbestimmt. Aber die Zeit lief mit großen Schritten gegen uns und für manche Zutat war am Ende faktisch nicht mehr die Zeit übrig, die sie gebraucht hätte, um für den Verzehr bereit zu sein.
Genaugenommen steht mir zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu, mir ein Urteil über die gekochte Suppe zu erlauben, die Suppe namens „weiterführende Schule für unser besonderes Kind“. Sie steht angerichtet vor uns und wirkt augenscheinlich befremdlich auf mich. Aber es ist nur so ein inneres Gefühl, vielleicht auch nur Skepsis, Enttäuschung, Wut? Ich kann es nicht ganz erfassen geschweigenden in entsprechenden Worten wiedergeben.
Nachdem vor den Sommerferien noch ein paar Telefonate geführt und Briefe verteilt wurden, habe ich die Sache von meiner Seite aus tatsächlich ruhen lassen. Selbstverständlich nicht im Gebet, aber in der Aktion.
Auf mein Schreiben an den Oberbürgermeister wurde mit einer Terminvereinbarung reagiert, allerdings erst nach seinem und unserem Urlaub. So fanden sich mein Mann und ich Anfang September im Rathaus ein, wurden freundlich begrüßt und umfangreich ins Bild gesetzt. Ins Bild durch die Brille unserer Stadtverwaltung wohlgemerkt.
Wenige Tage später erfolgte ein Telefonat mit dem Rektor unserer Schule, wo mir dann die ernüchternde Tatsache übermittelt wurde, dass die Kooperation mit unserer Schule hier vor Ort nun endgültig vom Tisch ist. Immerhin wird die Klasse in der Koop-Form bleiben, und das direkt nebenan, also neben dem Standort der Stammschule.
Das entsprechende Infoschreiben der neuen Klassenlehrerin erreichte uns wenige Stunden später und hat bei mir eher den Eindruck erweckt, als sei das Ganze in der Form Neuland und ich bin wirklich gespannt, was am Ende vom Tag herauskommen wird. Die Formulierungen öffneten zumindest in meinem Kopf viel Raum für Interpretation. Denn wenn es da heißt, dass „die Kooperation mit der dortigen 5a in ausgewählten Stunden langsam“ angebahnt werden soll, dann höre ich nicht heraus, dass das Anliegen Kooperation im zentralen Fokus steht, sondern ein nettes Beiwerk bleiben wird, und der Hauptteil der Beschulung getrennt vonstatten gehen wird.
Vermutlich ist das bei vielen kooperativen Formen der Fall und unsere Klasse war in den vergangenen Schuljahren in herausragender Weise beschenkt, weil der Unterricht tatsächlich überwiegend gemeinsam erfolgt ist. Ich blicke sehr dankbar auf diese wunderbaren, wertvollen Jahre zurück, ebenso wie auf unsere wunderbaren Fahrerinnen. Mit dem neuen Taxifahrer muss ich erst noch warm werden… naja, in erster Linie sollte das natürlich Josia, denn er fährt jeden Tag mit diesem unbekannten Mann, und nicht ich.
Da steht sie nun also vor uns, diese Kooperationssuppe. Ob und wie sie unserer Familie schmecken wird, wird sich noch zeigen. Vor allem für Josia sollte es passen und schmecken und ein gutes Lernumfeld sein, da ist es absolut zweitrangig, wie ich darüber denke und fühle.
Der Stundenplan wirft für mich gewisse Fragen auf und ich hoffe sehr, dass wir bald die Gelegenheit haben, unsere Fragen an die dazugehörigen Lehrerinnen zu bringen. Der erste Elternabend wird hoffentlich nicht mehr zu lange auf sich warten lassen und ich war selten so gespannt, wie dieses Mal, nicht nur, wegen all meiner Fragen, sondern weil ich die neuen Lehrerinnen gerne persönlich erleben möchte.
Josia ist schon seit einiger Zeit angeschlagen und sein Husten will und will nicht besser werden. Schlimmer wird er zum Glück bislang auch nicht, aber sein Gesamtbefinden hat sich im Lauf der ersten Schulwoche sichtlich verschlechtert. Als er am Freitagfrüh mit leicht erhöhter Temperatur aufgestanden ist, war für uns klar, dass wir nun doch mal zum Kinderarzt mit ihm gehen. Zudem werden die Erkältungssymptome wieder stärker, gefühlt haben sogar die Augen Schnupfen – was auch immer das sein mag. Könnte also noch ein wenig dauern, bis sich bei uns hier der Alltag eingrooven wird.