Von Abschlüssen, Umbrüchen und Neuanfängen

Und schon zieht ein weiteres Schuljahr dahin, eins, in dem ich nur zwei Schulkinder hier daheim hatte. Und für diese beiden Jungs ist es nicht nur ein Schuljahr, das zu Ende geht, sondern eine vierjährige Schulzeit an einem bestimmten Schulort.

Joel hat nun seinen Realschulabschluss in der Tasche und wird in wenigen Wochen eine Ausbildung beginnen – welch großer Meilenstein ist das bitte schön! Er ist damit tatsächlich unser erstes Kind, denn seine beiden Schwestern befinden sich noch in der Vorlaufzeit zum Studium; falls sich ihre Pläne nicht doch noch in letzter Minute ändern sollten.

Vor eineinhalb Wochen hatte Joel seine Abschlussfeier. Für uns ist es schon das dritte Kind in Folge, dass ein Abschlusszeugnis überreicht bekommt! Die Feierlichkeiten waren diesmal relativ überschaubar und es gab neben ein paar Ansprachen, der Zeugnis- und Geschenkübergaben noch die Gelegenheit, sich anschließend am Fingerfood Buffet zu stärken, bevor die Teens zu ihrer privaten Party weitergezogen sind. Für den Rest von uns ging´s nach ein wenig Smalltalk wieder nach Hause.

Zeugnisübergabe mit Handschlag von Klassenlehrerin, Co-Klassenlehrerin und Rektor.

Auch wenn der Wechsel an die FES nach Stuttgart mit gewissen „Kosten“ verbunden war – Schul- und Fahrtgeld, aber vor allem Zeit und Nerven für Joel, der jeden Tag diese lange Wegstrecke bewältigen musste – so war es diesen Einsatz absolut wert und Joel hat sich dort sehr wohl gefühlt.

Für Josia heißt es ebenfalls Abschied nehmen, denn seine Grundschulzeit ist mit dem heutigen Tag vorbei. Mit der Schule selbst verhält es sich ähnlich wie bei Joel. Da beide nicht direkt bei uns ums Eck liegen, haben wir in den vergangenen vier Jahren recht wenig Bezug aufgebaut. Corona hatte natürlich einen wesentlichen Anteil an dieser Entwicklung, denn viele Feste und Aktionen haben über längere Zeit gar nicht stattgefunden.

Mir ist das alles im Moment eindeutig zu viel Umbruch. Ich war ja noch nie ein großer Freund von Veränderung und Co. und nehme dieses Faktum als notwendiges Übel und unvermeidliche Konstante im Leben wahr, aber nicht als prickelndes Abenteuer und freudige Ablenkung zum Alltagstrott. Ich schätze die Gewohnheit und das Vertraute SEHR…

Letztlich kommt keiner von uns drum herum, denn ohne Veränderung ist das Leben nicht lebendig, geschweige denn wir selbst. Aber wenn´s so massiv kommt, wie das bei uns gerade der Fall ist, dann wackelt es für meinen Bedarf viel zu viel und das Verlangen nach Festhalten und Stehenbleiben übermannt mich mit enormer Kraft.

So eine Lebensreise hat viel gemeinsam mit einer Flussfahrt. Mein Fluss wird, je weiter ich mich von seiner ursprünglichen Quelle entferne, konstant größer, breiter und voller. Damit noch nicht genug, denn nebenbei wird von mir ganz selbstverständlich in regelmäßigen Abständen erwartet, dass ich mein Gefährt wechsle. Das passiert meist dann, wenn ich mich mit diesem fahrbaren Untersatz so richtig vertraut gemacht habe, mich darin wohl fühle und gelernt habe, wie ich es steuern kann, wo diverse Macken sind und welche vorzüglichen Besonderheiten ich daran zu schätzen weiß.

Nicht jeder dieser Umstiege ist auf den ersten Blick ein Upgrade. Wenn ich z.B. von der schönen, gemütlichen Yacht in ein kleines Kajak übersiedeln soll, dann bricht meinerseits gewiss kein Jubelgeschrei aus mir heraus – eher Unmut und meckern. Ich bin definitiv nicht so der Abenteuerfreak!

Weitere Erschwernisse sind der Tatsache geschuldet, dass ich nie weiß, was mich hinter der nächsten Biegung erwartet, wie sich die Strömungsbedingungen verändern und möglicherweise auch das Wetter. Ich kann noch nicht einmal sicher sagen, wer mit mir im Boot sitzt, welche Unterstützung ich habe und wie die Stimmung meiner „Mannschaft“ sein wird. Diese kann sich nämlich noch schneller ändern als das Wetter – und dann ist die Aufgabenverteilung hinfällig, oder man hat intern mit Problemen zu kämpfen, die einen von der eigentlichen Reise komplett ablenken. Du siehst, die Optionen sind unerschöpflich; meine Kraft hingegen leider nicht.

Und so schippere ich weiter vor mich hin, umhüllt vom Nebel der offenen Fragen.

Was ich sicher weiß ist die Tatsache, dass mein besonders Kind ab jetzt kein Grundschulkind mehr sein wird. Die Schule in Renningen war vier Jahre lang seine schulische Heimat und er hatte dort eine gute, abwechslungsreiche und sehr prägende Zeit mit großartigen Lehrern und vielen wunderbaren Mitschülern.

Unsere großartigen Klassenlehrkräfte von der Stammschule sind uns sogar für fünf volle Schuljahr als zuverlässige Crew an die Seite gestellt gewesen; und das ist mehr, als ich je hätte erträumen können. Wir haben die beiden als großartiges und super eingespieltes Team erlebt, die mit viel Herz und Engagement ihrer Arbeit nachgegangen sind und so viel in Josia investiert haben. Für unseren Sohn gehören sie zum Schulalltag ganz selbstverständlich dazu, denn er kennt Schule nur mit diesen beiden Vertrauten. Folglich ist es nicht verwunderlich, dass wir die beiden nur schweren Herzens ziehen lasse…

Aber damit noch nicht genug, denn wir starten in die Sommerferien ohne eine konkrete Vorstellung zu haben, wie und wo es für Josia nach dieser Pause weitergehen wird. Als wir Mitte Juni mitgeteilt bekamen, dass die Kooperationsklasse auch in der weiterführenden Schule fortgesetzt werden kann und dafür der Standort Hirschlanden festgemacht wurde, sprang mein Herz vor Freude und Dankbarkeit sichtlich in die Höhe. Ich hatte mir so sehr gewünscht, dass Josia an diese Schule in unserem Nachbarort kommt und er dadurch endlich innerhalb seines regulären Alltagsumfeldes in die Schule gehen kann. Welch wunderbare Aussicht und wirklicher Anlass zur Vorfreude auf das Neue, was da kommt!

Diese Freude war leider von kurzer Dauer, denn Anfang Juli erfuhren wir so ganz nebenbei, als ich Josia zur Schulübernachtung nach Leonberg gebracht habe, dass die Stadt Ditzingen als Schulträger die Zustimmung zur Koop verweigert, weil sie keine Ausgleichszahlung für diese 6 Schüler erhält. Ich dachte kurz, ich bin im falschen Film gelandet. Zuhause habe ich mir dann den entsprechenden Bericht in der Zeitung durchgelesen und unmittelbar unsere Familien in Kenntnis darüber gesetzt. Wirklich schlau wurde ich aus dem Bericht nicht.

Plötzlich rasen wir mitten durch die Stromschnellen, die ich in keinerlei Weise habe kommen sehen und es ist nicht absehbar, wie wir es da überhaupt hindurch schaffen und wo sie uns am Ende hintragen werden.

Es geht bei dieser Sache um unsere Stadt und unsere Schule. Da Josia das einzige Kind in seiner Klasse ist, welches tatsächlich aus Ditzingen kommt, habe ich in den vergangenen Wochen mein Mandat ergriffen, etliche Telefonate geführt und offizielle Briefe verfasst. Verschiedenste Infos fielen mir dabei in bruchstückhafter Weise vor die Füße, ich nahm sich teils widersprechende Aussagen wahr, gepaart mit Verweisen an zuständige Stellen, welche mich ihrerseits dann ebenfalls an andere Stellen verwiesen haben, so dass sich in mir die Erkenntnis verfestigte: Schuld sind immer die anderen und den Schwarzen Peter nimmt erfahrungsgemäß sowieso keiner freiwillig in die Hand.

Den vollen Ein- und Durchblick in dieser unschönen Angelegenheit werde ich vermutlich nie erlangen, denn es scheint ein relativ komplexer und stellenweise undurchsichtiger Sachverhalt zu sein, was zum Teil der Tatsache geschuldet ist, dass die Schulform der Kooperation bislang nicht wirklich gut geregelt ist und dass in unserem Fall obendrein noch mehrere Landkreise und Schulämter betroffen sind.

Erster Teilsieg: Wir haben einen Termin bei unserem OB bekommen und ein Fraktionsvorsitzender unseres örtlichen Gemeinderates hat sich auch schon kurz auf meinen Brief zurückgemeldet. Ob dabei allerdings wirklich etwas bewegt werden kann, ist fraglich. Ich befürchte, dass die Dauer der Sommerferien letztlich nicht lang genug sein wird, um währenddessen tatsächlich eine Klärung zu erlangen.

Für uns heißt es nun abwarten und vor allem beten!

Das gleiche gilt für zwei weitere Bereich aus Josias Alltag: den oder die künftige BusfahrerIn und die Logopädie. In den vergangenen zweieinhalb Jahren hatten wir eine wunderbare, liebevolle und unkomplizierte Busfahrerin für die täglichen Schulfahrten von Josia. Noch steht ein Wechsel nicht zwingend fest, aber er ist recht wahrscheinlich. Und so hat sich seine bisherige Fahrerin mit einem kleinen Briefchen und ein paar netten Erinnerungsschnappschüssen am letzten Schultag von uns verabschiedet. Einmal Eisessen stand an diesem Tag zusätzlich auf dem Plan – wie am letzten Schultag im Jahr zuvor auch schon.

Und zu guter Letzt noch ein paar Zeilen zum Thema Logopädie. Seit fast drei Jahren gehen wir zu einer Logopädin nach Korntal. Wir fühlen uns dort sehr wohl und richtig gut aufgehoben. Josia geht gerne zu seiner Therapeutin und hat durch sie echte Fortschritte gemacht. Als sie uns dann im Juni die Nachricht unterbreitet hat, dass sie ab September voraussichtlich ihren Standort verändert – wegen neuer Praxis usw -, war das für uns ein echter Tiefschlag. Diese Ansage traf und völlig unvorbereitet und die Option, mit ihr „umzuziehen“ ist für uns nur bedingt erwägbar. Aktuell handelt es sich um eine Wegstrecke von 6km und relativ zuverlässigen 15 Minuten einfache Fahrtzeit. Die Strecke hat zwar viele Ampeln, aber diese stellen in der Regel die einzigen Variablen dar. Wirklich Stau hatten wir in all den Jahren eigentlich nicht.

Und genau dieser Punkt wird bezüglich des neuen Standortes die größte Unbekannte werden, denn der Weg führt uns über das Nadelöhr unseres hiesigen Autobahnnetzwerkes. Jede Woche 25km einfache Wegstrecke für die ich zwischen 25 bis ??? keine Ahnung wie viele Minuten brauchen könnte. Ja, man kriecht da auch gut und gerne 40, 50 oder 60 Minuten rum. Ich wäre bei guten Bedingungen ganz ohne Stau schon deutlich länger unterwegs als in der Therapie selbst und das dann stets mit der Sorge, nie zu wissen, ob es an diesem Tag freie Fahrt gibt oder eben nicht. Und zur Therapie sollte man ja pünktlich kommen, nicht wahr.

unser letztes Pausen-Eis an diesem Logo-Standort

Wir sind vorerst so verblieben, dass wir es versuchen werden, aber nur alle 2 bis 3 Wochen. Und wenn´s selbst mit diesem Abstand für mich im Alltag nicht machbar sein sollte, müssen wir wohl schweren Herzens auch hier Lebewohl sagen. Außerdem habe ich mich auf die Warteliste einer Therapeutin im Nachbarort setzten lassen, denn dauerhaft werden wir diese Strecke nicht meistern können. Aber die Wartezeiten betragen gut und gerne ein bis zwei Jahre, da die spezialisierten Fachkräfte erfahrungsgemäß kaum neue Plätze frei haben, weil sie fast ausschließlich Menschen betreuen, die diesen Platz dauerhaft benötigen.

Mit dieser Aussicht starten wir nun in die großen Ferien, begleitet von dem Wissen, dass (fast) alles anders sein wird ab September… kann´s bitte für immer August bleiben!

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