Nur 10 Tage später als im Vorjahr

Annelie hat schon kurz nach Ferienende eine kleine Pause eingelegt. Am Dienstagmorgen kam sie bereits verfroren an den Frühstückstisch. Aber ich habe deshalb nicht direkt das Fieberthermometer gezückt. Nur wenige Stunden später kam dann der Anruf von der Schule, dass mein Kind mit glasigen Augen und Kopfweh vor dem Sekretariat auf mich warten würde. Also erst mal Kind abholen und daheim ins Bett stecken. Fieber hatte sie zu diesem Zeitpunkt kaum, aber ziemlich starke Kopfschmerzen. Und sie sah auch nicht gut aus. Also habe ich das Mädchen in unser Bett verfrachtet, ihr was Spannendes zum Anhören angemacht und sie mit Tee versorgt. Später gab es sogar noch Schmerzmittel, denn die Kopfschmerzen haben ihr sichtlich zu schaffen gemacht. Inzwischen hatte sie auch etwas erhöhte Temperatur.

Nach zwei Tagen war die Sache zum Glück ausgestanden und sie konnte wieder in die Schule gehen. Allerdings ging es dann bei Josia weiter.

Wir hatten Besuch am Nachmittag und als wir gemeinsam auf den Spielplatz gegangen sind, war Josia schon etwas träge und seltsam. Kaum dort angekommen, hat er seine Windel vollgesetzt – dabei hatte ich ihn erst kurze Zeit davor gewickelt. Und diese volle Windel war erst der Anfang des Dramas. Ha-Di musste ihn dann nach Hause tragen, weil er sich nicht mehr wirklich vom Fleck bewegen wollte. Kommt bei ihm ja manchmal vor, aber in dieser Form war es mir dann doch neu.

Als wir daheim ankamen, ging das Gebrüll los! Und zwar so richtig heftig. Wir hatten keinen Plan, was dafür der Grund sein könnte. Ha-Di ist unverzüglich mit ihm ins Bad, während ich bei unserem Besuch war. Das Gebrüll wurde eher schlimmer als besser und es sah ganz danach aus, dass der kleine Zwerg Bauchschmerzen hatte. Ha-Di hat ihn dann kurzzeitig versucht in die Wanne zu packen, um für etwas Beruhigung und Entspannung zu sorgen. Der Besuch hat sich allmählich verabschiedet und dann konnte auch ich meine volle Aufmerksamkeit auf Josia lenken.

Wir hatten inzwischen meine Schwester informiert – wie gut, wenn man eine Kinderkrankenschwester im Haus hat! Aber wirklich viel tun konnten wir alle nicht. Ha-Di hatte ihm den Schlafanzug angezogen und war mit ihm in unser Schlafzimmer. Nach und nach ließ das Weinen nach und Josia war total erschöpft und zeitweise fast schon apathisch. Wir haben die Sättigungswerte kontrolliert, denn seit etlichen Tagen hat er schon recht heftig gehustet.

Da lag er nun, völlig geschafft und mit ziemlich schlechten Werten. Ha-Di hat unsere Sauerstoffflasche geholt, um ihm damit etwas Unterstützung zu geben. Es wurde etwas besser, aber nicht so dass man hätte sagen können, es ist gut. Innerhalb von kürzester Zeit kletterte auch die Temperatur bis knapp an die 39° und Josia war eingeschlafen.

Ich musste los, um Joel vom Fußballtraining zu holen. Bis ich wieder daheim war, schlief Josia. Meine Schwester hatte ihm noch Fiebermittel verabreicht. Krankenhaus – ja oder nein?! Diese Frage wurde immer lauter und da sich auch nach längerer Beobachtung, Sauerstoffzugabe und Fiebermittel keine Verbesserung abzeichnen wollte, haben wir uns zum JA durchgerungen und mit Koffer packen begonnen. So langsam kennt man sich damit ja aus – leider! Da Josia definitiv auf Sauerstoffunterstützung angewiesen war, haben wir einen Krankenwagen gerufen.

Gegen halb neun kam der Krankenwagen. Die Sanitäter haben Josia gar nicht groß angeschaut, sondern sind recht zügig mit ihm in den Rettungswagen umgezogen, wo er nach und nach an die einzelnen Geräte anschlossen wurde. Ich hab noch die restlichen Taschen gebracht und kurz darauf sind sie losgefahren.

Im Krankenhaus wurde Josia dann wieder richtig wach. Inzwischen zeigte wohl auch das Fiebermittel seine Wirkung und der kleine Mann war so fit, wie schon seit Stunden nicht mehr. In solchen Momenten stellt man sich dann die Frage, ob man hier nun wirklich richtig ist. Seine Sättigungswerte waren auch deutlich besser, aber noch nicht im grünen Bereich.

Bis alle Erstuntersuchungen durch und die Vigo gelegt waren, kamen die beiden gegen halb zwölf endlich auf ihr Zimmer. Ich habe mich dann dem Schlafen zugewandt, denn von Zuhause aus konnte ich jetzt nicht mehr weiterhelfen. Für meinen Mann war aber noch lange nicht an Bettruhe zu denken. Josia musste zwischendurch inhaliert werden und auch sonst gab es genug Arbeit mit all den Kabel und Überwachungsgeräten.

Aufgrund des Röntgenbildes war die Rede von einer beidseitigen Lungenentzündung. Aber die Blutwerte haben diesen Verdacht nicht weiter bestätigt, da darin kaum eine Entzündung ersichtlich war. Demnach sieht es nach einer viralen Sache aus, weshalb das Antibiotikum direkt wieder abgesetzt wurde. Josia wurde ab dann nur noch mit Cortison und Inhalation behandelt. Über die Vigo bekam er aber noch weitere 24h zusätzlich Flüssigkeit zugeführt.

Ich hatte noch ein paar Dinge in der Stadt zu erledigen, bevor ich am Freitagnachmittag ins Krankenhaus gefahren bin. Unter anderem habe ich noch ein paar neue Spielsachen für Josia besorgt, damit wir ihn wenigstens ein bisschen sinnvoll beschäftigt bekommen in diesem Krankenbett.

Josia hat sich gefreut, mich zu sehen. Wobei die Freude bei meinem Mann sichtlich größer war, denn wenn ich komme, hat er Krankenhauspause! Nun bekam Josia erst mal sein neues Flugzeug, für dass er sich erste wenige Tage zuvor im Spielzeugladen sehr interessiert hatte. Und das Lego fand er ebenfalls richtig toll und wollte sofort damit spielen.

Das Flugzeug war auf dem Boden natürlich besser unterwegs als im faltigen Bett. Allerdings war der Bewegungsradius wegen all der Schläuche recht begrenzt. Josia hat das aber erstaunlich gut gemeistert und immer mal wieder ist er dann über die Schläuche geklettert bzw. hat die drei Dinger geschnappt und hoch gehalten, damit das Flugzeug unten durch fahren kann. Entwirren mussten wir das Zeug aber trotzdem noch oft genug.

Und es gab manchmal auch lautstarken Protest wegen dieser ungnädigen Zwangsleine.

Es hat sehr lange gedauert, bis Josia an diesem Abend endlich in den Schlaf gefunden hat. Und dann wurde er leider noch mehrfach wach, weil ihn das Nasenfahrrad total gestresst hat. Immer wieder hat er sich die Nase gerieben und an den Schläuchen gezogen. Und wenn er sich dann so hin und her gewälzt hat ging oft der Alarm am Monitor an. Teils, weil der Kontakt unterbrochen war oder weil die Ableitung völlig in den Keller ging und somit die Grenzwerte unterschritten waren.

Dann musste ich ihn erst wieder befreien, weil er wirklich wie eine Katze im Wollknäul verstrickt war und sich zum Teil kaum noch bewegen konnte. Ich weiß gar nicht mehr, wie oft ich ihn in den ersten Stunden der Nacht entwirren musste. Wenn ich nicht mit den Schläuchen beschäftigt war, dann habe ich seine Lunge massiert, um seinen Körper beim Schleim-los-werden etwas zu unterstützen. Und inhalieren mussten wir auch nochmal. Zwischen all der „Arbeit“ habe ich immer mal wieder versucht, ein wenig zu schlafen. Jegliches Gefühl für die Zeit, und dafür, ob und wann ich überhaupt geschlafen habe, ging zwischen all dem Piepsen und den nächtlichen Schwestern- und Arztbesuchen gänzlich verloren.

Am Samstag habe ich zwei große Autos und eine Kiste mit Lego aus dem Spielzimmer geholt. Nun konnten wir richtige Rennen veranstalten. Für Josia war es dabei ganz wichtig, dass ich die Zimmertüre aufmache, damit die Brummis den Weg frei haben. Und sie sind auch mehrfach fast bis ins Schwesternzimmer gerollt; von Josias Jubelrufen und lautem Lachen angefeuert.

Nach dem Brummi-Rennen kam die Legokiste zum Einsatz und wir haben tüchtig Häuser und Türme gebaut und anschließend wieder einstürzen lassen. Inzwischen wurde uns sogar eine Matte gebracht, damit wir nicht auf dem Boden sitzen mussten.

Kurz bevor das Abendbrot kam betrat mein Mann das Zimmer und das Kind war außer sich vor Glück! Er ist gehüpft, hat gejubelt und war völlig aus dem Häuschen. Seine Schwester hat er kaum wahrgenommen – nur seinen Papa!

Überraschenderweise waren seine Werte ab diesen Zeitpunkt so gut, dass er schon kurz nach meiner Abfahrt vom Sauerstoff weg kam. Und weg blieb er dann auch die komplette Nach!!!

Das kam für uns sehr unerwartet und war zugleich ein absolutes Geschenk! Ruhig verlief die Nacht trotzdem nicht, denn gegen Mitternacht kam ein neuer Patient ins Zimmer. Und dieses Kind hatte echt eine richtige Lungenentzündung. Zeitweise waren noch vier weitere Familienmitglieder um das Kind herum, so dass an Schlafen nicht mehr zu denken war. Josia hat das wenige beeindruckt, aber für Ha-Di war die Nacht in gewisser Weise gelaufen, denn wirklich Ruhe ist in unserem Zimmer ab dem Zeitpunkt nicht mehr eingekehrt.

Nach kurzer Rücksprache mit der Ärztin wurde der Entlassung zugestimmt. Natürlich auf eigene Gefahr hin, denn in der Regel behalten sie solche Kinder auch gerne noch eine weitere Nacht zur Beobachtung da.

Bis wir dann aber tatsächlich nach Hause gehen konnten, mussten wir uns noch ein wenig in Geduld üben. Denn bevor wir den Arztbericht und das offizielle Entlassungsgespräch hatten, kam die Oberärztin auf die Station. Und dann war erst mal Dienstbesprechung angesagt und wir mussten warten. Wie gut, dass es ein Spielzimmer gibt.

So wirklich nach Hause wollte Josia allerdings gar nicht. Er rannte mehrfach zu seinem Zimmer zurück, dass wir aus Rücksichtnahme auf den neuen Patienten eigentlich schon geräumt hatten. Einmal ist er dann sogar in sein verwaistes Bett geklettert, hat schnurstracks seine Stiefel ausgezogen und ins Eck gefeuert, weil er mit dem Tablet spielen wollte.

Und auch bei dem kleinen Spielplatz im Eingangsbereich musste er erst noch alle Holztiere begrüßen, ins Boot steigen und rutschen, bevor wir dann endgültig das Krankenhaus verlassen konnten.

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