Ein Tag im Ausnahmezustand

HaDi war schon seit dem frühen Morgen auf den Beinen. Es gab noch so viel zu regeln, denn schließlich war es eine absolute Premiere. Nicht der hohe Besuch als solcher, sondern die Tatsache, dass dieser mit der Fähre auf Sansibar eintreffen sollte. Das gab es bis dato noch nie, zumindest nicht, seit es hier einen Flughafen gibt. Dementsprechend unsicher waren die zuständigen Leute und umso mehr musste über jeden noch so kleinen Schritt diskutiert werden. Zum einen müssen bei einem hohen Staatsbesuch gewisse Abläufe unbedingt eingehalten werden. Und so war es auch unumgänglich, dass die Begrüßung der beiden Staatsoberhäupter unmittelbar nach der Ankunft von Bundespräsident Gauck von statten gehen musste.

In vielen anderen Punkten war es vorab wie eine Art Tauziehen. Die einen wollten es so, die anderen aber anders und irgendwie muss ja jede Seite auf seine Kosten kommen und keiner will dabei so wirklich Abstriche machen. Ha-Di stand bei diesem ganzen Prozess irgendwo in der Mitte – wie der Bote, der die Nachrichten von A nach B und dann wieder zurück zu A bringen muss. Aber davon lief das meiste in den Tagen und Wochen vor dem großen Tag ab.

Ich wurde gegen 10 Uhr zu Hause abgeholt, damit ich auf alle Fälle rechtzeitig am Hafen bin. Da sich die Ankunft der Fähre deutlich nach hinten verschoben hatte, war noch Zeit und Gelegenheit für ein paar einfache Bilder mit unserer kleinen Kamera. Denn eins war auch klar, wenn er dann mal da ist habe ich dafür keine Zeit mehr!

Bei meiner Ankunft war Ha-Di gerade dabei, die Reihenfolge der Autos zu regeln. Eigentlich war er dafür gar nicht zuständig, aber dem offiziell Zuständigen hat irgendwie keiner wirklich Gehör geschenkt oder was weiß ich, was genau falsch lief. Die Autos waren nicht in der vorgeschriebenen Reihenfolge geparkt und das musste geändert werden! Damit die Vorgaben hinsichtlich der automobilen Beförderung des Bundespräsidenten eingehalten werden konnte, musste das Auto des Präsidenten ausgeliehen werden. Nur dieses hatte alle nötigen Sicherheitsvorkehrungen.

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Ein Teil des einheimischen Empfangskomitees wartete ebenfalls direkt außerhalb des Hafengeländes, bereit für ihren Einsatz. Sie haben später einen einheimischen Volkstanz aufgeführt.

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Der gesamte Bereich des Fährhafens war pikobello aufgeräumt; ebenso die gesamte Wegstrecke, welche später zu Fuß zurückgelegt werden sollte. Ein sehr ungewöhnlicher und befremdlicher Anblick, genau wie das fast leer gefegte Hafenareal. Denn in der Regel herrscht hier das pulsierende Leben und an vielen Tagen kommt man zu Fuß kaum durch. Nun ja, heute war davon nichts zu sehen oder auch nur im Entferntesten zu erahnen. Dafür lagen jede Menge rote Teppiche auf dem Boden aus, die noch tüchtig gefegt wurden. Das war allerdings auch sehr nötig, denn sobald einer mit seinen Schuhen nur einen Schritt auf den Teppich gemacht hat, war ein deutlicher Staubabdruck zu sehen!

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Alles war schön geschmückt in den deutschen und tansanischen Flagg-Farben und die echten Flaggen haben natürlich auch nicht gefehlt. Wobei Ha-Di die deutschen Flaggen gestellt hat.

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Es wurde genau durchgesprochen, wer wann wo zu stehen oder gehen hat. Außerdem sollten verschiedene Leute beiderseits mit Handschlag begrüßt werden. Auch darüber wurden unendliche Diskussionen geführt.

Ha-Di und ich haben uns an die Fersen von einem der engsten Sicherheitsbeamten geheftet. Er stand auch in Kontakt mit seinen Kollegen auf der Fähre, so dass wir dann rechtzeitig über die bevorstehende Ankunft in Kenntnis gesetzt wurden.

Es gibt ein komplettes Handbuch für so einen Staatsbesuch. Das fand ich krass und faszinierend zugleich. Darin war genau aufgelistet, welche Personen bei welchem Ereignis dabei sein werden und wer für was zuständig ist, wer in welchem Auto fahren wird und noch so viel mehr. Und wer nicht namentlich im Buch steht, darf auch nicht mit zu dem entsprechenden Treffen. Keine Ahnung, wie exakt wir am Ende diesem Protokoll Folge geleistet haben. Denn bereits bei der Erstbegrüßung direkt an der Fähre gab es erste Abweichungen vom Protokoll.

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Ich fand es sehr spannend, so ein Ereignis aus unmittelbarer Nähe mitzuerleben – auch wenn es zugleich total unwirklich für mich war. Außerdem kam ich mir teils so vor, wie im Kindergarten – obwohl gar keine kleinen Kinder anwesend waren. Es gab tatsächlich immer wieder ein regelrechtes Drängen und Schieben, denn jeder wollte sich den besten Platz sichern. Und da ich mit so einem Verhalten nicht gerechnet hätte, war ich etwas perplex.

Die Fähre kam, bunt geschmückt mit vielen, kleinen Girlanden, an denen kleine Flaggen (Deutschland und Tansania) im Wind tanzten. Wir mussten uns brav der Reihe nach aufstellen – wobei mir hier schon der Platz streitig gemacht worden ist und sich einzelne wirklich in letzter Sekunde noch vor uns geschoben haben. Dabei hätte mein Mann Herrn Gauck als erster die Hand geben sollen. In der Praxis mussten wir uns noch schnell dazwischen schieben, um überhaupt einen Handschlag durchführen zu können.

Und so ging es die nächste halbe Stunde gefühlt ununterbrochen weiter! Nur einmal wurden wir in eine Reihe gestellt, ohne dass dies so vorgesehen war. Und somit haben wir sogar noch die Hand des tansanischen Präsidenten geschüttelt, als dieser jede Menge Leute der deutschen Delegation mit Handschlag begrüßt hat.

Nachdem das offizielle Zeremoniell rum war – Hymne von der Militärkapelle gespielt, Marsch von Herrn Gauck in vorgegebener Schrittfolge und Positionen – hat sich der gesamte Pulk langsam aus dem Hafengelände auf die Straße bewegt. Dort erwartete uns dann Tanz und Musik als nächster Höhepunkt.

Erst dann ging die eigentliche Stadttour los. Wir dachten ja, dass dies ein gemütlicher Spaziergang entlang der Uferpromenade werden würde. Aber dem war nicht so, denn die komplette Strecke war über und über voll von Menschen….

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Da Herr Gauck den Menschen generell sehr zugewandt ist, ging er von sich aus immer wieder gezielt auf Leute zu und hat diese mit Handschlag persönlich begrüßt. Das Ganze entwickelte sich immer zu einer Art Wellenbewegung, denn wo er sich hinbewegte, da folgten auch die Leute vom Sicherheitsdienst – seinem eigenen und dem tansanischen. Und so schwappte der ganze Zug mal nach rechts und mal nach links an den Straßenrand, stets von viel Jubel und Hallo umworben. Ich kam mir vor wie auf dem Volksfest.

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Für mich war der erste Teil mit dem Erreichen des Hotels überstanden. Im Foyer war ebenfalls unglaublich viel los, wobei sich Herr Gauck und Frau Schadt recht schnell auf ihre Zimmer zurückgezogen haben. Viel Zeit blieb den beiden nicht bis zum nächsten Termin auf der vollen Agenda. Und bei der Hitze ist eine kleine Pause auf jeden Fall mehr als angeraten.

Schon kurz darauf gab es einen offiziellen Empfang im Haus des Präsidenten von Sansibar und wenig später ging es zum eigentlich Kernpunkt von Herrn Gaucks Sansibarreise, dem Treffen mit den verantwortlichen Personen des interreligiösen Dialog. Diese Gruppe gibt es hier auf Sansibar seit dem Jahr 2002. Beim interreligiösen Treffen war Ha-Di als Übersetzer dabei.

Und Frau Schadt war währenddessen bei der Eröffnung eines kleinen Kindergartens irgendwo in der Pampa. Dominic hatte sie als Übersetzer begleitet.

Letzter Programmpunkt an diesem Nachmittag stellte ein Treffen mit einer kleinen Gruppe von jungen Deutschen dar, die derzeit einen Kurzzeiteinsatz auf Sansibar machen. Danach ging es dann direkt zum Flughafen.

An dieser Stelle kam ich dann auch wieder ins Spiel. Gemeinsam mit etlichen weiteren Personen haben wir auf das Eintreffen des Konvois gewartet. Außerdem sollten wir hier noch die Gelegenheit für ein Gruppenfoto bekommen. Und wir haben es auch tatsächlich geschafft, nur wenige Meter vor der Treppe ins Flugzeug. Der Präsident von Sansibar war auch noch zugegen und wollte natürlich ebenfalls aufs Bild.

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Ein letztes Mal offizielles Händeschütteln und eine gute Reise wünschen. Ha-Di hatte noch einen kleinen Brief für das Bundespräsidentenpaar mit gemalten Bildern von unseren Kindern. Wenige Wochen später kam ein kurzes Dankesschreiben als Antwort, worüber sich die Kinder sehr gefreut haben.

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Nach und nach füllte sich das Flugzeug mit den restlichen Abgeordneten und Journalisten. Dem ein oder anderen haben wir noch persönlich die Hand zum Abschied geschüttelt. Dann hieß es auf Distanz zu gehen und nur wenig später war alles bereit für den Start. Wir haben aus sicherer Entfernung und umgeben von vielen anderen Leuten aus der hiesigen Regierung den Abflug verfolgt.

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Die Maschine verschwand am Horizont und der ganze Rummel war vorbei. Aber ich hatte nach wie vor immer noch das Gefühl, in einem Film zu sein.

Uns bleiben neben all der Bilder und den vielen eindrücklichen Erinnerungen an diesen absolut besonderen Tag auch noch die persönlichen Geschenke und die Sicherheitsketten erhalten 🙂

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