Abschied

Beerdigung 3

Als wir unsere Reise hier her geplant haben, hat wirklich keiner von uns gedacht, dass meine Mutter so schnell sterben könnte. Wir wussten alle, dass sie sehr, sehr krank ist und die Krankheit immer weiter voranschreitet trotz aller Behandlungen. Uns war schon länger klar, dass wenn nicht wirklich ein Wunder passiert, sie nicht mehr all zu lange bei uns sein wird. Und dennoch schien ihr Zustand doch recht stabil und sie hat auch immer tüchtig gekämpft, da sie bei uns bleiben wollte.


Ihre Lunge war von Anfang an mit betroffen, da bereits im Sommer 2008 Metastasen im Rippfell diagnostiziert wurden. Durch die Chemo wurden diese anfangs sehr zurückgedrängt. Die Atemeinschränkung war dennoch immer wieder ein zentrales Thema. Zwischendurch ging es ihr zwar besser, aber nie richtig gut. In den letzten Monaten wurden diese Beschwerden wieder mehr und die Ärzte gingen lange Zeit davon aus, dass sie eine Art Lungenentzündung hat. Trotz Medikamenten wurde der Zustand der Lunge nicht besser und am 30.11. ist sie von sich aus in die Lungenfachklinik geganen, wo sie auch direkt stationär aufgenommen wurde. Sie bekam weitere Medikamente und dann auch spezielle Untersuchungen und vor allem Sauerstoff. Am 10.12. hat sich ihr Befinden zusehens verschlechtert und die Blutgaswerte waren besorgniserregend niedrig. Keiner konnte bis dahin konkret sagen, was die Ursache dafür sein könnte –
Folge der Metastasen? Lungenentzündung? Strahlungsschäden an der Lunge selbst? Lungenembolie? Durch Ultraschall- und Blutuntersuchungen wurde manches ausgeschlossen, und die Ärzte haben uns ab diesem Moment klar und deutlich zu verstehen gegeben, dass der Zustand wirklich kritisch ist! Dieser Einbruch und die Unsicherheit bezüglich des Verlaufes der kommenden Tage und Wochen war der Ausschlag für uns, dass wir den Flug vorgezogen haben und ich dann zusammen mit Joel bereits am 14.12. (also eine Woche früher als geplant) nach Deutschland gekommen bin.
Nach meiner Ankunft sind wir noch direkt zu meiner Mutter ins Krankenhaus gefahren. Mit einem halbwachen Joel im Tragetuch und drei meiner Geschwistern und meinem Vater standen wir um ihr Bett. Ich war erleichtert, sie zu sehen und sie hat mich direkt mit den Worten begrüßt: „ich dachte, ich schaff es nicht mehr, bis du kommst!“. Wir Kinder sind dann nach kurzer Zeit wieder gefahren, damit Joel endlich ins Bett gehen konnte.
Am nächsten Tag war ich nochmals für ca. 2,5 Stunden bei meiner Mutter zusammen mit Joel, Anne und meinem Vater. Die meiste Zeit haben wir mit Packen verbracht, da meine Mutter am Nachmittag ins Robert-Bosch-Krankenhaus verlegt werden sollte. Die Ärzte hatten endlich den Befund der Gewebeprobe erhalten, und damit auch die Antwort auf ihr Befinden. Uns wurde nur mitgeteilt, dass sie im entnommenen Gewebe auch Metastasen gefunden hätten, und meine Mutter deshalb verlegt werden müsse. Sie hätten ihren Bereich behandlungstechnisch abgedeckt und für eine richtige Weiterbehandlung fehle ihnen die Möglichkeiten.
In diesen letzten Stunden wurde mir sehr klar, dass meine Mutter wirklich schwach und ihr Körper am Ende seiner Kräfte ist. Schon winzige Kleinigkeiten haben ihr viel Mühe gemacht und wir mussten uns für alles exrem Zeit lassen, damit sie mit ihrer Atmung mit kam.
Ich konnte noch kurz für sie beten, was mir ein großes Anliegen war, da sie sehr unruhig in Hinblick auf die bevorstehende Reise war. An diesem Nachmittag habe ich noch nicht mal richtig Tschüss zu ihr gesagt, da ich mir so sicher war, sie am kommenden Tag im anderen Krankenhaus wieder zu sehen.
Aber es kam alles ganz anders.
Sie hat ihre Fahrt erstaunlich gut überstanden und wurde freundlich aufgenommen. Mein Vater durfte auch dort bei ihr übernachten, allerdings nur auf einem Notbett. Schon am Abend hatte meine Mutter dann ziemlich heftige Atemnot gefolgt von Erstickungsanfällen. Sie bekam spezielle Medikamente und mein Vater hat direkt bei uns angerufen und Bescheid gegeben. Meine Schwester ist dann noch zusammen mit einer Freundin ins Krankenhaus gefahren und war gute zwei Stunden bei meiner Mutter. In dieser Zeit hatte sie erneute Anfälle. Ich hab von allem nichts mitbekommen, da ich schon am Schlafen war.
Morgens stand mein Vater kurz vor 6 Uhr vor der Haustüre. Da er keinen Schlüssel hatte, rief er an und durch das Telefon wurde auch ich wach. Ich wusste sofort: wenn es so früh klingelt, kann es nur was mit meiner Mutter zu tun haben.
Meine Mutter ist irgendwann gegen 2 Uhr morgens gestorben. Wir sind sehr dankbar, dass sie nicht in einem dieser schrecklichen Anfälle sterben musste, sondern letztlich doch eingeschlafen ist.
Einer der Ärzte hat uns dann noch etwas mehr Informationen gegeben. Sie hatten Metastasen in der Lungenlympe gefunden, was auch die Ursache für die rastante Verschlechterung der gesamten Atmung war.
In den kommenden Tagen waren wir alle sehr beschäftigt, da man so viel erledigen und planen muss. Wir hatten vorab nicht groß über diese Sachen mit meiner Mutter geredet, da von ihr aus nie der Wunsch kam. Zusammen als Familie haben wir versuche, alles so zu machen wie wir denken, wie es ihr gefallen hätte und wie es ihr von der Persönlichkeit her einigermaßen gerecht wird.
Meine Schwester Anne hat ein Bild gemalt, passend zu dem Vers und der Gesaltung unserer Traueranzeige. Jeder von uns (Papa, Geschwister und ich noch für meine Kinder) hat eine Kerze angezündet in der Kirche, der Chor hat zwei ihrer Lieblingslieder gesungen und auch der Posaunenchor hat geblasen.
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Wir durften wirklich eine schöne und gesegnte Feier erleben – falls man das so von einer Beerdigung überhaupt sagen kann. Und es war bewegend und wohltuend, dass viele Verwandte und Freunde diesen schweren Weg mit uns gemeinsam gegangen sind. Sogar das Wetter war ein echtes Geschenk für uns, da es so „warm“ war wie seit Tagen davor und danach nicht mehr. Zwischendurch kam sogar die Sonne zum Vorschein!
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Die Tischdeko im Gemeindehaus war auch ein Gemeinschaftswerk von uns Geschwistern. Mein Bruder hat extra Brettchen gemacht, wir Schwestern haben Kerzen ausgesucht und darauf fixiert…. und dann gab´s sogar kleine Schokoladenleckereien mitten drin, die meine Mutter sehr gerne gegessen hat.
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Unsere Kinder waren bei der Beerdigung nicht dabei, aber beim anschließenden Kaffee im Gemeindehaus. Nachdem alles vorbei und der Saal wieder aufgeräumt war, hatten sie noch jede Menge Spaß in dem großen Raum… und uns allen tat das Kinderlachen sehr gut!

Für mich ist alles noch sehr irreal und die Wahrheit scheint immer nur für kurze Momente greifbar – und dann ist da einfach nur ein großer, undefinierbarer Schmerz im Herzen.
Wir als Familie wissen, dass meine Mutter nun bei ihrem himmlischen Vater ist, dass es ihr besser geht als es hier auf Erden jemals möglich war und dass sie keine Schmerzen mehr hat. Dieses Wissen ist ein Trost und ein Grund zur Freude für jeden von uns! Ja, sie darf nun frei sein und fliegen wie ein wunderschöner Schmetterling, der in seinem ganzen Leben als Raupe mit Sicherheit nie erahnen konnte, wie schön es mal werden wird. Und uns bleibt die Freude auf ein himmlisches Wiedersehen, wenn die Zeit dafür gekommen ist.

Uns bleiben viele Erinnerungen und auch so manches, was für hier und jetzt ungesagt bleiben wird. Wir alle wurden zum Ende von der Härte der Krankheit überrollt und es ging einfach zu schnell, so dass für manches die Zeit eben nicht mehr gereicht hat. Es wäre schön gewesen, nochmals zusammen als ganze Famile Weihnachten zu feiern. Aber so wie es ihr die letzten Tage ging, wäre das gar nicht mehr möglich gewesen. Wir sind dankbar, dass sie in diesem schwachen Zustand doch nur sehr kurze Zeit sein musste.
Ja, es liegt nun an uns, worauf wir schauen. Es gibt viel Wertvolles und Schönes in ihrem Leben zu entdecken, aber auch etliche schwere Zeiten, die natürlich auch ihre Auswirkungen auf die ganze Familie hatten. Es gibt vieles, wo sie uns schon jetzt fehlt… und das wird im Alltag in den kommenden Wochen und Monaten vermutlich noch oft ganz unerwartet deutlich werden.


Ich bin dankbar, dass sie meine Mutter war, für ihre Liebe und für alles, was sie so selbstverständlich über so viele Jahre für mich, meine Geschwister und meinen Vater getan hat! Ich bin dankbar und froh, für all die Gaben und Fähigkeiten, die sie in mein Leben gepflanzt hat und von denen ich schöpfen darf.

Ja, die Tränen sind da… aber ich möchte die Schönheit der Rose nicht übersehen!
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