Der öffentliche Nahverkehr

Es gibt Dinge, die kann man sich nur schwer vorstellen, wenn man sie nicht selbst erlebt. Dennoch versuche ich mit ein paar Bildern und Erzählungen wenigstens ein kleines bisschen davon weiterzugeben, was für uns auf Sansibar völliger normaler Alltag war 🙂

Ein eigenes Auto zu besitzen, ist für den Hauptteil der Inselbewohner unvorstellbar, auch wenn die Anzahl der Autos in den vergangenen Jahren exorbitant angestiegen ist. Umso zentraler ist die Rolle, die das öffentliche Transportsystem in solchen Ländern einnimmt.

Auf Sansibar werden die Busse Daladala genannt. Es gibt sie in Form von einfachen Kleinbussen, allerdings mit deutlich mehr Sitzplätzen, bis hin zu ehemaligen Lastwägen, deren Ladefläche überdacht und mit Sitzbänken ausgestattet wurden.

Jeder Bus hat eine Linien-Nummer. Meist steht zusätzlich zur Nummer noch der Name der Ortschaft bzw. des Stadtteils auf der Frontscheibe des Fahrzeuges. „Unsere“ Linie war die 509 Chukwani. Busse dieser Linie pendeln zwischen dem Ortsteil Chukwani und der Innenstadt/Nähe Markthalle hin und her.

Anfangs gab es sogar einen zentralen Busbahnhof genau gegenüber der großen Markt- und Fischhalle. Aber vor einigen Jahren wurde dieser Platz zum öffentlichen Parkplatz umfunktioniert. Es hieß, dass Ballungen dieser Art vermieden werden sollen, weil sie gerne Ziele für Anschläge sein können. Keine Ahnung, ob das wirklich der Hauptgrund für die Auflösung des Busbahnhofes war. Seither befinden sich die Startpunkte der einzelnen Linien über etliche Straßenzüge rund um den Marktplatz verstreut, was ehrlich gesagt eher ungünstig ist und nicht selten für Stauungen im regulären Verkehr sorgt.

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Richtige Fahrpläne gibt es nicht und offizielle Haltestellen nur sehr wenige. In der Regel beschränken sich diese auf die Start- und Endstation. Alles, was dazwischen liegt, wird flexibel und nach Bedarf angefahren. Wer also mit dem Bus fahren möchte, stellt sich einfach an den Straßenrand und wartet, bis ein Daladala angedüst kommt. Am besten macht man durch Winken auf sich aufmerksam. Und wenn im Bus noch Platz ist, dann hält der Fahrer an und lässt einen zusteigen.

Mit dem Aussteigen verhält es sich ganz ähnlich. Man gibt dem Kassierer zu verstehen, dass man raus möchte, z.B. in dem man sagt „Nashuka hapa“ (Ich steige hier aus). Dieser sendet daraufhin ein Klopfzeichen zum Fahrer, indem er mit einer Münze gegen den Metallrahmen schlägt. Und dann versucht der Fahrer bald möglichst links ran zu fahren und zu stoppen – je nach den Gegebenheiten am Straßenrand ist das ja nicht immer ganz unmittelbar möglich.

Zu jedem Daladala gehört außer dem Fahrer ein Kassierer. Dieser sammelt das Geld der Fahrgäste ein und regelt das Aus- und Einsteigen. Meistens hängt der Kassierer locker auf dem Trittbrett hinten beim Einstieg. Wenn noch Platz ist, setzt er sich auch nach innen oder hinten am Eingang auf den Boden.

Aber da meist darauf geachtet wird, dass die Busse bei der Abfahrt gut gefüllt sind, bleibt für den Kassierer oft kein Sitzplatz übrig. Man sieht auch häufig genug mehrere Männer hinten an einem Daladala hängen. Der Platz ist also nicht nur für den Kassierer reserviert.

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Ich habe meist darauf geachtet, dass ich mein Fahrgeld passend in Münzen zur Hand hatte. Wobei ich in all den Jahren kein einziges Mal betrogen wurde, wenn ich es mal nicht klein hatte. Das Geld wandert dann von einer Hand zur nächste, bis es beim Kassierer ankommt. Und mit dem Rückgeld, falls man welches bekommt, verhält es sich genauso.

Diese Prozedur beginnt in der Regel kurz nach der Abfahrt. Jeder lässt sein Geld still durch die Reihen wandern, während der Kassierer mehr oder weniger freihändig am Eingang hängt. Da er fürs Geldwechsel beide Hände benötigt, hält er sich einfach mit einer guten Körperspannung, breitbeinigem Stand und mit Hilfe seines Kopfes, welcher am seitlichen Türholmen oder der Deckenquerverstrebung Halt findet, fest.

Für mich ist das Fahrgeld umgerechnet nur ein Pfennigbetrag. Für einen einfachen Arbeiter kann so eine Fahrt allerdings locker die Hälfte eines Tagesverdienstes sein. Gerade wenn man mehrere Linien benötigt und somit einige Male umsteigen muss, kostet es jedes Mal aufs Neue. Die Preise für kurze Strecken innerhalb des Stadtbereiches belaufen sich zwischen 15-30 Cent. Wenn man z.B. von der Stadt bis an die Ostküste oder die Nordspitze der Insel fahren möchte, belaufen sich die Fahrtkosten auf umgerechnet ungefähr 1-2 Euro.

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Ein Daladala transportiert natürlich nicht nur Menschen, sondern auch Einkäufe, Tiere, Baustoffe, größere Mengen an Lebensmittel… nun ja, eigentlich kann fast alles in oder auf einem Daladala transportiert werden. Wir haben auch mal ein Daladala gesehen, in dem sich zwei Kühe befunden haben. Weitere offizielle Fahrgäste waren glücklicherweise nicht mit an Bord.

Grenzen für die Zuladung gibt es gefühlt keine, außer wenn der Platz ausgeht. So staunen wir immer wieder, was uns auf den Straßen im alltäglichen Treiben so alles begegnet. Leider hat man nicht immer die Kamera griffbereit oder überhaupt dabei, aber ein paar Schnappschüsse sind im Lauf der Jahre durchaus entstanden.

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Die blaue Plane, die man auf dem Bild oben sieht, dient dem Regenschutz. Sobald es anfängt zu regnen, werden diese Planen runter gelassen.

Mit den Kindern war ich nur selten via Daladala unterwegs. Sie haben es nämlich nicht wirklich geliebt, was zum Teil mit der extremen Nähe zu tun hatte, die man bei so einer Reise manchmal ertragen muss. Es kam nämlich auch vor, dass die Kinder auf dem Schoß von fremden Leuten sitzen mussten, weil zu wenig Platz frei war. Das ist für die Afrikaner völlig normal, denn man hat öfters fremde Kinder oder Einkäufe auf dem Schoß. Eine Bekannte hatte z.B. plötzlich eine Tasche mit Hühnern auf ihren Schenkeln ruhen. Und da es auch sonst mehr als voll war, konnte sie diese Tasche nicht einfach auf den Fußboden stellen. Bei so einer Reise ist man dann glücklich, wenn man es geschafft hat und aussteigen kann 🙂

Als diese Bilder entstanden, waren wir auf dem Weg zu unseren Teamkollegen. Wir hatten kein Auto an diesem Nachmittag und bevor man 2km in der prallen Sonne zu Fuß zurück legen muss, fährt man dann doch lieber mit dem Daladala. Um diese Uhrzeit sind diese auch meist nicht so voll und wir hatten somit eine angenehme Fahrt.

Sehr ungemütlich kann es werden, wenn man den Platz in der Ecke hat. Den wie schon erwähnt, werden diese Kleinbusse oft richtig gut gefüllt und dann rutscht man eben weiter auf und noch weiter, bis man richtig dicht sitzt. Das hat immerhin den Vorteil, dass man während der teils durchaus rasanten Fahrt kaum noch hin und her rutschen kann.

Ein weiterer, nicht zu unterschätzender Faktor ist das Thema Gerüche. Denn davon bekommt man hier oft genug mehr, als einem lieb ist. Wenn man sich so nahe kommt, dann lässt sich das eben nicht vermeiden. Und da wie gesagt wirklich alles Mögliche und teils auch Undenkbare transportiert wird, kann die Nase einem echten Härtetest unterzogen werden. Das war für unsere Kinder auch immer ein wesentlicher Grund, warum sie diese Art der Fortbewegung in all den Jahren nie favorisiert haben.

Ich war immer dankbar, wenn es sich im erträglichen Rahmen abgespielt hat. Und dank der Offenheit des Gefährts war immerhin während der Fahrt für ausreichende Frischluftzufuhr gesorgt!

Meine anstrengendste Fahrt habe ich einmal in der Hocke im Mittelgang eines total überfüllten Daladalas erlebt. Es waren zwar nur ungefähr 6km bis zum Markt, aber die kamen mir in dieser Haltung echt endlos lange vor. Zum einen war es äußerst anstrengend, in dieser geduckten Haltung nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Wie gut, dass ich mich an den Dachstreben festhalten konnte. Aber nach rechts oder links hätte ich eh nicht umkippen können, denn da waren ja überall die Knie der anderen Fahrgäste. Außerdem taten mir schon nach kurzer Zeit die Knie extrem weh, weil die holprigen Straßen natürlich zuverlässig für ein reges Auf und Ab gesorgt haben.

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