Blitzlicht Josia: Die Heimweg-Ermüdung

Es ist einer dieser Nachmittage, wo die Kinder für nichts mehr so wirklich zu begeistern sind und man am besten einfach noch eine Runde an die frische Luft gehen sollte. Im Sommer bei gutem Wetter passiert das ja wie von selbst. Aber wenn die Tage kürzer und die Temperaturen unfreundlicher werden, dann ist das nicht immer der naheliegende Schritt.

Meine Kleinen gehen aber tatsächlich liebend gerne raus. Und so muss man nur gewisse Stichworte streuen, wie z.B. Spielplatz – Laufrad – Jacke, und Josia springt auf und rennt zur Wohnungstür.

Bis man dann allerdings wirklich draußen ist, wartet noch eine lange to-do-Liste auf einen, denn das mit dem Anziehen bleibt hauptsächlich an mir hängen. Zwei Kinder in Overalls packen, Mützen, teils noch Handschuhe und dann natürlich das richtige Schuhwerk nicht vergessen. Während ich Josias Füße in die Schuhe zwänge, arbeitet Benjamin mit Nachdruck an seinem Entkommen – entweder hinter Mama durchschlüpfen und den Treppenaufstieg in Angriff nehmen, oder irgendwie zwischen großem Bruder, Mamas Beinen und Händen die Haustüre ansteuern. Da zwischen ihm und der großen Türe außer einer gewissen Distanz noch zwei Stufen liegen – abwärtige wohl gemerkt -, muss ich geschickt den Weg versperren. Ja, es kam in diesem Tumult leider auch schon zu einem ungeplanten Treppenabgang seinerseits, weil er schneller war als ich ;-(

Irgendwann sitzt das eine Kind im Kinderwagen und das andere auf seinem Laufrad und wir können tatsächlich unseren kleinen Ausflug antreten.

Heute will ich einen kurzen Abstecher zum Friedhof machen, da meine Schwestern einen neuen Kranz für Mamas Grab gebunden haben und ich diesen gerne live sehen will.

Der Lauf-Radler gibt einen flotten Gang vor – naja, er hat diesbezüglich ja auch gewisse Vorteile. Ich versuche den Anschluss nicht zu verlieren, gerade weil die Straße bei uns konstant ein wenig abschüssig ist. Aber er macht das wirklich gut und meist auch sehr souverän und vorsichtig.

Unser Friedhofsbesuch geht gut, bis auf die Tatsache, dass Josia gerne noch gießen will. Ich kann ihn mit einigem Erklären glücklicherweise von diesem Vorhaben abbringen und die große Kanne wandert wieder an ihren Platz zurück.

Nun könnten wir uns allmählich wieder auf den Heimweg begeben – so mein Gedanke! Aber das mit dem „sich auf den Heimweg machen“  ist bei Josia ein durchaus heikles Thema. Auch heute will er lieber in die andere Richtung weiter, und ich hechle mit flottem Schritt hinter ihm her. Der Weg wird zunehmend abschüssiger und am Ende kommt eine Querstraße. Ich rufe ihm Anweisungen zu, ohne zu wissen, ob davon tatsächlich was von ihm aufgenommen wird… zum Glück hält er rechtzeitig an und wartet auf mich.

Wir diskutieren eine Weile hin und her, weil er seine Reise in Richtung Innenstadt fortsetzen will. Dabei sind wir meiner Einschätzung nach eh schon viel zu weit gegangen, wenn man bedenkt, dass wir den ganzen Weg auch noch irgendwie wieder nach Hause schaffen müssen, und das überwiegend bergauf.

Josia lässt sich von der anderen Richtung überzeugen und wir bewegen und langsam weiter. Er hat bereits das Stadium erreicht, wo er immer wieder stoppt, den Ständer seines Rades ausklappt und nicht mehr weiterfahren möchte. Ich versuche ihn abzulenken und wieder für sein Rad zu begeistern. Nach einigen Sätzen steigt er wieder auf und die Fahrt geht weiter. Weiter, immer weiter… und schon wieder an einem Abzweig vorbei, den ich eigentlich vorhatte, einzuschlagen.

Aber nein, Josia läuft zu den großen Wohnhäusern und lässt sich auch dann nicht von seinem Ziel – wo auch immer dieses liegen mag – abhalten. Ich bleibe stehen, aber das beeindruckt ihn kein bisschen und er zieht weiter. Es folgen einige Erklärungsversuche meinerseits, aber letztlich gehe ich ihm dann doch nach, weil er sich sonst aus meinem Sichtfeld entfernen würde. Und das ist schlichtweg zu riskant.

Erst sitzt er auf einer Bank, dann geht er ein wenig weiter und legt sich auf den Boden. Er zieht sein Rad zu sich und nimmt es genau unter die Lupe – Werkstattbetrieb?

Ich lasse ihn eine Zeitlang spielen, aber dann versuche ich es erneut mit Überzeugungsarbeit, denn so langsam wird mir ein wenig kalt und ich will wirklich nach Hause. Und Benjamin sollte demnächst auch was essen. Aber ihm ist das alles total egal. Selbst als ich ihm verspreche, dass er Zuhause inhalieren und ein bisschen was anschauen darf, bleibt er unbeeindruckt liegen und „arbeitet“ weiter. So ein Mist! denke ich mir.

Es ziehen weitere Minuten ins Land und ich starte einen erneuten Überzeugungsversuche. Tja, man könnte sich auch mit Steinen unterhalten! Ich mache mir stattdessen ernsthafte Gedanken darüber, wie ich nun am besten Kinderwagen, zwei Kinder und ein Laufrad nach Hause bekommen könnte….

Die letzten Versuche meinerseits mit überzeugenden Argumenten zu meinem Kind durchzudringend scheitern. Ich schnappe mir das Laufrad und lege es quer über den Kinderwagen. Könnte liegen bleiben. Dann ziehe ich Josia auf seine Beine – er verhält sich wie Wackelpudding -, packe ihn an Arm und Bein und werfe ihn mir quer über die Schulter. Da liegt er nun wie ein Mehlsack und meckert vor sich hin. Mir wäre es anders ja auch viel lieber, aber wenn er nicht laufen will bekomme ich ihn so noch am besten getragen.

Nun fängt Ben auch noch an, unruhig zu werden. Ich laufe weiter und rede auf ihn ein. Josia stimmt Protest an. Seine Lage ist mit Sicherheit nicht die bequemste, aber für mich unter den gegebenen Umständen am ehesten zu handeln. Zum Glück sind kaum Passanten unterwegs, denn unser Auftreten mag sicherlich das ein oder andere Fragezeichen hervorrufen.

Als Josia dann auch noch das Zappeln anfängt, wird es echt schwierig für mich. Ich setze ihn wieder ab, nehme den meckrigen Benjamin aus seinem Wagen und nutze den gewonnenen Platz für Josia, in der Hoffnung, dass der Wagen dem Gewicht standhalten wird!

Wenn Ben läuft, dann kommen wir nicht unbedingt vom Fleck. Außerdem fällt er ja noch liebend gerne um, was die Sache zusätzlich ausbremst. Also beschließe ich, dass ich mir Benjamin umbinde. Immerhin habe ich ein Halstuch an, dass ich zur Not zum Tragetuch umfunktionieren könnte – zumindest kurzzeitig. Gedacht, getan!

Ben schimpft schon, als ich ihn auf den Rücken setze. Und als ich das Tuch um ihn binde, fängt er zusätzlich zum Meckern auch noch das Zappeln an. Man, diese Jungs! Hilft aber alles nichts, denn ich muss ja irgendwie nach Hause kommen.

Wir setzen unseren Weg schwerfällig fort und ich versuche das Jammern auszublenden. Es ist auch mehr ein Protestieren als tatsächliches Weinen. Josia hingegen scheint ziemlich zufrieden zu sein an seinem neuen Platz… und dann ist es endlich in Sicht: das Zuhause!

Mit letzter Kraft schleppe ich mich um die Ecke und parke den Kinderwagen in der Einfahrt. Nun nehme ich Ben vom Rücken und setzte ihn auf dem Boden ab. Das Meckern hält an. Dann stelle ich das Laufrad ab und hebe ich Josia aus dem Kinderwagen – Mensch, ist der Junge schwer geworden!

Nun heißt es, Rad und Helm in der Garage verstauen, Kinderwagen an seinem Platz parken und die Kinder ins Haus befördern. Also mein Bedarf an Bewegung – und Kraftsport – ist für heute ausreichend gedeckt!

Ein Kommentar

  1. Oh man. Da leide ich beim Lesen mit. Kenne ich diese Momente doch zu gut. Dann steht man da mit seinem Talent. Ein Kind, was bockt und nicht will und ein Baby, naja fast Kleinkind, was auch noch brüllt. Argh. Nicht schön. Kostet so viel Nerven und Kraft.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.