Blitzlicht Josia: Freiheit für unsere Panzerträger

Es kam schon einige Male vor, dass wir Josia am Käfig von Annelies Schildkröten vorgefunden haben. Er hat sie auch schon das ein oder andere Mal eigenmächtig rausgeholt. Aber immer nur kurz und in der Regel blieb es nie unbemerkt, bis zu diesem einen Samstag Anfang August.

Ha-Di war an besagtem Samstag hauptsächlich für die Aufsicht der zwei Jungs verantwortlich, da ich mich um die Entstehung meiner Predigt kümmern musste. Während ich brav an meinem Schreibtisch saß, haben die Männer alle möglichen Arbeiten rund ums Haus in Angriff genommen. Hier ein wenig putzen, dort ein bisschen räumen und immer mal wieder kam der Wasserschlauch zum Einsatz, was die Jungs nicht nur glücklich, sondern auch ziemlich nass gemacht hat. Aber es war ja warm.

Der Samstag war der einzige Tag in der gesamten Woche, wo ich nicht nach den Schildkröten geschaut habe, da ich den Käfig am Freitagabend neu platziert und auf Vordermann gebracht hatte.

Als ich am Sonntagvormittag vom Kinderzimmer aus einen Blick in den Garten geworfen habe, fiel mir sofort auf, dass das Haus der Schildkröten nicht mehr so stand, wie noch am Morgen zuvor. Also bin ich sofort nach draußen, um nach dem Rechten zu sehen. Mit Schrecken musste ich zur Kenntnis nehmen, dass der Stall leer war!

Sonderlich viele Möglichkeiten gab es nicht, denn wer sollte schon nachts in unseren Garten steigen und diese zwei kleinen Krabbler entwenden? Das erschien mir eher unwahrscheinlich. Und selbständig können sie auf keinen Fall aus ihrem Stall ausbrechen. Somit blieben nur noch Josia und Ben übrig.

Laut Auskunft unseres Hauptverdächtigen (Josia) hatte er die beiden Tiere auf unserem Lärmschutzwall im Garten ausgesetzt. Zumindest lief er dort immer wieder hin und gestikulierte wild umher. Außerdem konnte ich mich daran erinnern, dass ich ihn am Samstagnachmittag dort eine Zeitlang habe sitzen sehen, während Ha-Di und Ben irgendwo im Garten mit dem Hochdruckreiniger unterwegs waren.

Der Lärmschutzwall ist mit Abstand der denkbar ungünstigste Platz in unserem gesamten Garten, denn von dort aus gibt es eigentlich keine Grenzen, außer endloses Dickicht und den freien Fall auf den Gehweg zur großen Straße hin. Wenn Josia sie wirklich dort platziert haben sollte, dann könnten sie quasi überall sein!

Für uns ging es unverzüglich in den Suchmodus und wir haben einen Großteil unseren Sonntagvormittag mit verzweifelter Schildkrötenschatzsuche verbracht. Augen zu und durch, kann ich nur sagen. Aber sehr weit kamen Ha-Di und ich auf dem zugewucherten Wall trotz aller Bemühungen nicht. Um uns herum dichtes Gebüsch und der Boden überwiegend zugewuchert von Efeu und Co. Sichtliche Spuren hinterlassen diese Tiere eben auch nicht – wenn sie nicht gerade ein dickes Geschäft abgeladen haben. Und sie sind dazu noch relativ klein.

Nach meinem ersten Streifzug durchs Gestrüpp sah ich etwas zerkratzt und eingedreckt aus. Das war wirklich die klassische Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Ich habe mich dann lieber an den Rechner gesetzt, um Handzettel für die Briefkästen der Nachbarn zu erstellen, die wenig später in solchen gelandet sind. Wer weiß, ob die Schildkröten nicht zufällig in einem der angrenzenden Gärten auftauchen?!

Wir haben die Tränke aus dem Stall genommen und auf den Wall platziert, ebenso ihr Häuschen. Und dann haben wir noch gebetet, wobei ich mir von Ben erst noch eine ausführliche Erklärung darüber anhören musste, dass Gott schließlich ganz weit oben im Himmel sei und deshalb die Schildkröten gar nicht finden könne.

Gegen die Mittagszeit hat Nasya erneut einen kurzen Streifzug durch den Garten gemacht und nach angestrengtem Lauschen ein Rascheln im Gebüsch vernommen. Nur wenige Sekunden später kam tatsächlich eine Schildkröte aus eben diesem herausspaziert. Die Freude war riesig und die Hoffnung geweckt, dass wir nun vielleicht auch die zweite finden könnten. Vielleicht hatten sich die beiden doch nicht so weit von ihrer Heimat entfernt. In meinen Gedanken hatte ich sie schon den Wall hinunterstürzen und auf der Straße liegen sehen. Oder vom Efeu essen, was für sie ja total giftig ist… und vieles mehr.

Nach kurzer Rücksprache mit unseren direkten Nachbarn konnten Romy und Nasya noch auf ihrem Wallabschnitt nach dem verschollenen Tier suchen. Und genau dort war es dann auch!

In diesem Moment fielen bei uns allen die letzten schweren Steine spürbar vom Herzen ab, vor allem bei meinem Mann, der sich schon seit Stunden überlegt hatte, wie er dieses Missgeschick seiner Annelie erklären kann, wenn sie an diesem Abend vom Rangercamp zurückkommen würde.

Ich habe unterdessen eine weitere Nachricht in all die Briefkästen verteilt, die ich wenige Stunden zuvor mit der Vermisstenanzeige bestückt hatte. Und Josia musste sich nicht nur von uns Eltern, sondern später auch noch von seiner Schwester eine sehr deutliche Rüge anhören. Aber ob diese einen bleibenden Eindruck bei ihm hinterlassen haben, kann man leider nie wissen.

2 Kommentare

  1. Gibt es die Predigt von dir, die an besagtem Samstag verfasst wurde, auch öffentlich/ online anzuhören?
    Würde mich interessieren!
    Vielen, vielen lieben Dank für’s Teilhabenlassen ab eurem Leben!
    Ich lese seit Jahren interessiert mit u freu mich immer wenn ein neuer Beitrag online gestellt wird!
    Lg aus Österreich!
    Vera

    1. Author

      liebe Vera
      Leider nein, weil etwas mit der Aufnahme nicht geklappt hat an dem Abend.
      Grüße nach Österreich
      Doro

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