Das Geschenk des Lebens

Lord you are good and your mercy endures forever…

Es gibt Momente im Leben, in denen ist es einfach unsagbar schwer Worte zu finden. Sachliches Berichten über die Fakten mag eventuell noch gelingen, aber die dazugehörigen Emotionen ergießen sich ins Uferlose und sind so facettenreich, tief, befremdlich, kaum greifbar…

Viele wissen ja bereits, was sich am Samstag hier ereignet hat und haben seither intensiv für uns alle gebetet. Es ist es immer noch so unfassbar, beinahe unreal.

Und es ist vor allem ein Zeugnis dafür, dass wir einen Gott haben, der GROSS ist und der WUNDER tut! Erneut haben wir erfahren dürfen, welch einzigartiges Vorrecht es ist, dass wir gemeinsam beten können und wie Gebet verbindet; weltweit!

Am Samstagvormittag haben wir Frauen von unserem Team uns auf den Weg an die Nordspitze gemacht, wo wir eine Nacht im Hotel verbringen wollten. Da meine Schwiegereltern in wenigen Tagen nach Deutschland fliegen und Roxanne in Kürze zurück in die Heimat ziehen wird, war es die letzte Gelegenheit für solch eine Frauen-Auszeit.

Wir hatten ein paar angenehme, entspannende Stunden mit vielen Gesprächen, Zeit zum Baden, Lesen, Ausruhen, als Roxanne gegen 17 Uhr einen Anruf von ihrem Mann bekam. Schon noch wenigen Sekunden konnte ich an ihrem Gesichtsausdruck sehen, das etwas passiert sein musste. Ich habe mich direkt neben sie auf die Liege gesetzt und sie in den Arm genommen. Nach dem kurzen Telefonat meinte sie nur, dass sie sofort zurück in die Stadt müsse, weil ihrer Familie etwas zugestoßen sei. Wir haben dann sofort gemeinsam gebetet und anschließend habe ich Ha-Di angerufen, um mehr Informationen zu bekommen, denn Jasons Angaben waren sehr wage…

Ha-Di war mit unseren Kindern und Carina am Strand zum Baden, als er einen Anruf von Jason bekam, der völlig außer Atem war: „We got shocked, we got shocked. We are on the way to the hospital.“

Ha-Di hörte nur „We got shot“ und hat sofort den Sprint zum Auto hingelegt. Unverzüglich ist er losgefahren und auf der Hauptstraße kam laut hupend und mir Warnblicklich das Auto von Jason angeschossen, dem er dann gefolgt ist.

Als mein Anruf kam, war Ha-Di bereits zusammen mit Jason und den Mädels im Krankenhaus, die heulende Annikah auf seinem Arm. Er hat mir kurz berichtet, dass alle drei einen heftigen Stromschlag abbekommen hätten und sie nun versuchen einen Evac-Flug nach Dar zu arrangieren.

Wir Frauen haben unverzüglich unsere Taschen gepackt, kurz an der Rezeption erklärt, was passiert ist und uns verabschiedet. Alle waren sehr verständnisvoll und zuvorkommend.

Dann begann die Autofahrt, die gefühlt so unendlich lang war. Telefonanrufe, mehr Infos bekommen, weitere Leute informieren und um Gebet bitten, beten, singen und zwischendurch das Atmen nicht vergessen.

You are my strength when I am weak
You are the treasure that I seek
You are my all in all
Seeking You as a precious jewel
Lord, to give up I’d be a fool
You are my all in all

Bald schon war klar, dass ein Helicopter aus Dar es Salaam kommen und sie abholen wird.

Erneuter Anruf bei Jason. `Annikah hat ziemliche Probleme, ihr  Zustand ist sehr kritisch´.

Sie war längere Zeit bewusstlos, hat sich übergeben, viel halluziniert, war immer wieder total apatisch und hat ihren Vater nicht mehr erkannt.

So viele Gedanken ziehen einem wie Blitzlichter durch denn Kopf, so viele „was ist wenn…“. Hilflosigkeit macht sich breit, nimmt einem die Luft. Innerhalb weniger Sekunden scheint die Welt plötzlich still zu stehen und gleichzeitig tut sich ein Abgrund vor einem auf, tief, unsagbar tief, erschreckend, mächtig, angsteinflösend.

Gedanken bauen sich wie große Wellen auf, schlagen über einem zusammen, man droht darin zu versinken – verliert kurzzeitig die Orientierung.

Trotz all dieser heftigen, widersprüchlichen, unbeschreiblichen Gedanken und Emotionen, trotz aller Tränen und allem hilflosen Schreien war da spürbar dieser Friede mit uns, dieses Wissen darum, dass der Grund auf den wir bauen niemals einstützen wird und das Jesus stärker ist als der Tod.  Auch wenn für uns alle in diesem Augenblick mehr als klar war, dass Annikah gerade mit dem Tod kämpft und sie diesen Kampf verlieren könnte…

Meine Schwiegermutter fährt konzentriert und zügig. Selbst die Polizeikontrollen winken uns weiter, als wir erwähnen, dass wir schnell in die Stadt müssen, will Roxannes Familie eine Unfall hatte.

Immer wieder stottert das Auto und bringt keine richtige Leistung mehr. Immer wieder befinden wir uns im Funkloch, kein Netz fürs Handy. Dann kommt die SMS, dass sie nun fliegen werden. Wir sind ca. 10min vom Flughafen entfernt, aber nun beginnt der Stadtverkehr!

Ein kurzer Anruf: „Bitte wartet doch noch, wir sind so nah!“

Wir bleiben in Ungewissheit zurück, beten, summen Lieder vor uns hin…

Der Himmel färbt sich wunderschön rot und wir fahren gerade einen kleinen Berg hinunter. Der Blick wird frei aufs Meer, die Sonne wird in wenigen Minuten darin versinken…

From the rising to the setting sun

his love endures forever

by the grace of God we will carry on

his love endures forever

sing praise, sing praise…

Der Verkehr wird immer chaotischer und das Auto benimmt sich immer unberechenbarer. Inzwischen fahren wir mit Warnblicklicht, die Hand stets bereit auf der Hupe. Aber all zu viel Beachtung bekommen wir auf der übervollen Straße nicht.

Roxanne entrümpelt ihre Tasche, um alles zurück zu lassen, was sie nicht braucht. Wir beten weiter, dass sie doch noch rechtzeitig zum Helicopter kommt und mitfliegen kann. Gibt es sonst noch die Chance auf einen Flug, falls der Heli weg sein sollte?

Nur noch wenige Meter bis zum Ziel, aber das Auto scheint keine Kraft mehr zu haben. Wir schaffen es gerade so, steigen aus, rennen los. Die Beine sind so schwer und kaum zu koordinieren, zittern nach all der Anspannung und dem Adrenalin.

Beim Check-In ist nichts los, da vermutlich keine weiteren Flüge in Kürze anstehen. Ein Mann hält uns zurück, schaut uns verwirrt an, will uns beruhigen. Wir versuchen klar zu machen, dass Roxanne zu ihrer Familie muss, die im Helicopter auf sie wartet. Unwissende, verständnislose Blicke…

Weitere Erklärungen auf englisch und in swahilie, Roxanne drängt sich einfach durch in die Abflughalle, wo sie direkt von Sicherheitsbeamten zurück gezogen wird. Ihre Sachen müssen durchleuchtet werden und wo sei bitte ihr Ticket? Ohne Ticket könne sie nicht hier durch!

Der Helicopter ist noch da, die Rotoren sind bereits am laufen. Aber keiner will sie durchlassen, keiner scheint genau zu wissen, was hier vor sich geht. „Warum schreist du?“, „Mama, hör doch auf zu weinen“ – Menschen reden auf Roxanne ein, aber keiner weiß zu helfen und niemand lässt sie aus der Abflughalle. So nah und doch so unerreichbar weit weg…

Ich renne nach oben, von wo aus man aufs Rollfeld schauen kann und entdecke den Helicopter. Er ist noch da! Ich sehe, wie der Co-Pilot aussteigt, zur Abflughalle zurück läuft und Roxanne abholt. Kaum sind die beiden eingestiegen hebt der Heli ab… nur 2min später hatte er Startverbot bekommen, wegen Einbruch der Dunkelheit.

In Dar es Salaam läuft der Empfang reibungslos. Sie werden bereits vom Rettungswagen erwartet und ins ca 1km entfernte Krankenhaus gefahren.

Erste Untersuchungen laufen, der Herzschlag wird kontrolliert und überwacht. Später kommt noch eine Kinderärztin, die Evy und Annikah nähers untersucht und weitere, engmaschige Kontrollen für die Nacht anordnet. Annikah zeigt weiterhin die schlechtesten Reaktionen, ist mittlerweile immer mal wieder bei Bewusstsein, erkennt auch ihre Eltern. Alle drei haben Eintritt/Austritt-Verbrennungen, bei Evy ist es am stärksten.

Es ist ein Wunder, dass beide Mädels am nächsten Morgen aufwachen, als wäre nichts weiter passiert. Sie reden, haben Hunger, wollen spielen. Annikah zeigt großes Interesse und möchte das „coole Videospiel spielen“(=die Anzeige des Herzmonitors).

Nach etlichen weiteren Untersuchungen und speziellen Bluttests zur Stresslevelbestimmung können sie am Dienstagnachmittag das Krankenhaus verlassen. Die Stress-Werte waren bei allen hoch, sind aber im Verlauf der Tage sichtlich gesunken.

Seit Mittwochmittag sind sie wieder zu Hause… Und wurden in ihrem Haus direkt mit Strom konfrontiert. Diesmal hat Roxanne eine „gewischt“ bekommen. Ha-Di hat die Sache gleich  unter die Lupe genommen und den Fehler auch bald gefunden. Das komplette Haus stand sozusagen unter Strom, weil beim Hauptstromkabel, welches übers Dach zum Haus läuft, an einer Stelle das Gummi durchgescheuert war. Folglich stand das Dach (Wellblech) unter Strom und alles, was damit in Verbindung ist.

Wie konnte es zu diesem schrecklichen Unfall kommen, bei dem beinahe alle drei gestorben wären?

Jason war bei Bekannten im Garten zum Baden, die derzeit im Ausland sind und ihm den Schlüssel da gelassen haben. Nachdem die Kinder eine Runde gebadet hatten, wollten sie ums Haus herum spielen, wo sie Muscheln entdeckt hatten. Leider kam Annikah dabei in Berührung mit einem Metallkasten, der um eine Klimaanlage gebaut war (typische Diebstahlsicherung). Dieser Metallkasten stand allerdings unter Strom, und somit blieb sie daran „kleben“. Zum Glück konnte sie schreien und Jason kam daraufhin direkt angerannt – leider ebenfalls noch feucht und ohne Schuhe! Beim ersten Anblick dachte er, dass sich die beiden Mädels irgendwie in dem Gitter mit den Händen verfangen hätten. Als er sie befreien wollte, stand auch er unter Strom und konnte nicht mehr weg, nur laut um Hilfe rufen.

Ein Nachtwächter war noch auf dem Grundstück, der die Schreie gehört hat und kam. Schnelll rannte er los, um ein Stück Holz zu holen, mit dessen Hilfe er einen nach dem anderen von der Stromverbindung getrennt hat.

Evy saß leicht benommen da, aber schien sonst soweit ok zu sein, aber Annikah lag bewusstlos zuckend und mit Schaum vor dem Mund auf dem Boden.

Jason hat sofort zum Handy gegriffen und Ha-Di informiert. Dann ist er mit den Kindern und einer Ladung unbekannter Leute zum Krankenhaus gefahren…

Eng-Familie.jpg

Als meine Kinder im Bett waren, habe ich direkt die erste Info-mail rausgeschickt; nach Deutschland und Amerika. Weitere sind im Lauf der nächsten Tage gefolgt.

Wir haben viele Rückmeldungen bekommen. Weltweit wurde und wird weiterhin gebetet.

DANKE

Uns alle erfüllt tiefe Dankbarkeit darüber, dass Annikah, Evy und Jason noch bei uns sind und dass sie Heilung erfahren.

Hier noch der link zu Roxannes Blog – die Geschichte aus ihrer Sicht.

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