Ein Zuhause schaffen

„Alle Orte, an denen wir leben, sind ganz sicher nur Zwischenstationen. Aber das heißt nicht, dass wir die Koffer gepackt lassen und immer noch auf das Bessere warten müssen. Schaffen wir dort, wo wir gerade sind – auf Zwischenstation – einen sicheren Hafen, den unsere Familien, unsere Freunde, wir selbst so nötig in dieser Welt haben. Irgendwann ist Endstation. An unserem Sehnsuchtsort.“*

Ja, das kommt mir vertraut vor!

Ich lege das Buch nieder und lasse die Worte in mir nachhallen. Ich spüre diese Art von Zerrissenheit und ich kann dieser Aussage meine volle Zustimmung geben. Inzwischen mehr denn je. Auch wenn es vielleicht nach außen hin den Anschein haben mag, dass ich längst angekommen bin in meiner Heimat. Schließlich wohne ich da, wo über Jahrzehnte hinweg mein Zuhause war. Einfacher kann man es ja eigentlich gar nicht haben, oder?

Ich hätte nie damit gerechnet, dass ich eines Tages von meinem Bett aus wieder auf meine Kinderzimmertüre schaue, an der bis heute ganz treu die zwei kleinen Kleiderhäkchen von der Kreissparkasse kleben. Didi und Dodo grüßen freudig.

Es sieht inzwischen absolut nicht mehr nach dem Zimmer aus, das ich über viele Jahre hinweg mein eigen nennen durfte. Im vergangenen Frühjahr war es endlich so weit, und nach ein paar Wochen Arbeitseinsatz entstand aus den zwei alten Kinderzimmern an dieser Stelle unser jetziges Schlafzimmer und mein Büro.

Auch diesmal waren einige Helfer zugegen, unter anderem mein Vater. Und für ihn war es sogar ein ganz besonderes Aha-Erlebnis, als er das Datum an der Wand entdeckt hat. Auf den Tag genau vor 38 Jahren hatte er hier die Wand herausgeschlagen, um die zwei Zimmer anschließend durch eine Schrankwand zu trennen und damit mehr Platz und Stauraum zu gewinnen. Manchmal ist es schon verrückt, wie sich der Kreis sozusagen schließt. Und das mein Vater derartige Notizen hinterlassen hat 🙂

Die alten Regale, Schränke und mein besonderes Bett im Schrank *schnief* hatten ihren Zweck erfüllt und wurden entsorgt. Auch die Holzdecke musste fallen, da an der Stelle, wo bis dato die Schrankwand stand nur die blanke Decke zu sehen war. Auf der bestehenden Unterkonstruktion war glücklicherweise sehr schnell eine neue Decke angebracht. Und der Boden musste auch noch etwas angeglichen werden, da aus zwei Zimmer nun schließlich eins werden sollte.

Eine Tür wurde entfernt und durch eine Wand ersetzt, so dass ausreichend Platz für den künftigen Kleiderschrank geschaffen wurde. Und dann musste stellenweise noch eine neue Tapete angebracht werden.

Und nach fast 10 Monaten, in denen wir mit unseren Matratzen ein paar Mal umgezogen sind, konnten wir endlich wieder ein richtiges Bett unser eigenen nennen! Es hat noch ein wenig gedauert, bis auch die passende Matratze für mich gefunden wurde, aber inzwischen liebe ich mein Bett über alles und bin sehr dankbar, es zu haben!

Die unzähligen Wochen auf dem Fußboden haben mir eigentlich gar nicht so viel ausgemacht. Mein Mann war davon deutlich mehr gestresst als ich. Aber dieses „Bett“ brachte einiges an Arbeit mit sich, denn gerade in den Wintermonaten mussten wir die Matratzen zum Schutz vor Schimmelbefall jeden Tag aufstellen und abends dann wieder passend auf dem Boden platzieren.

Die ersten Monate haben wir gemeinsam mit Josia im kleinsten Zimmer hier in der Wohnung genächtigt. Außer unserer Liegefläche war kaum noch Platz zum Umfallen in diesem winzigen Zimmer. Aber ich fand es gemütlich.

Danach ging es dann für ein paar Wochen ins Kinderzimmer der Jungs, denn während der laufenden Umbaumaßnahmen konnten wir nicht im kleinen Zimmer bleiben. Dieses sollte ja später ein Teil unseres künftigen Schlafzimmers werden.

Und von dort aus ging es dann tatsächlich in ein richtiges Bett. Der Kleiderschrank ist auch im Entstehungsprozess.

Seit wir in unserem eigenen Schlafzimmer eingezogen sind, schläft Josia nicht mehr direkt bei uns. Wir bekommen seine unruhigen Phasen auch von hier aus noch mit, aber natürlich längst nicht mehr so unmittelbar und intensiv wie zuvor. Das ist gut so!

Innerlich hat sich der Kreis für mich bisher dennoch nicht geschlossen und es fühlt sich manchmal einfach sonderbar an, hier zu wohnen. Wir kennen es von einigen Heimataufenthalten, aber da war es eben ganz offensichtlich eine Zwischenstation und auf Zeit begrenzt. Wirklich ganz hier ist man in diesen Phasen eh nicht.

Es kommt ja immer wieder vor, dass Kinder im Haus der Eltern wohnen – sei es mit ihnen zusammen, oder aufgrund eines Tausches, weil die Eltern sich ein kleineres Zuhause suchen. Aber ich habe nicht im Entferntesten mit sowas gerechnet oder früher jemals in diese Richtung meine Zukunft geplant! Vielleicht ist das nun auch der Grund dafür, dass es oft unwirklich und komisch für mich ist.

Aber ich hatte ja auch nicht damit gerechnet, dass meine Mutter so früh sterben würde. Wäre dies nicht passiert, würde vieles nun ganz anders aussehen. Vermutlich auch unsere Wohnsituation.

Es freut mich aber zu sehen, dass meine Kinder tatsächlich hier angekommen sind! Für sie ist es ein Ort, den sie von klein auf kennen, ein Ort, an dem sie immer wieder gewohnt und auch viele schöne Dinge mit Menschen, die sie leben, erlebt haben. Das hat es für sie mit Sicherheit einfacher gemacht, als es darum ging, nun tatsächlich an einem neuen Ort Heimat zu finden.

Und das ist auch für mich der Grund dafür, dass ich sozusagen meine Koffer ausgepackt habe und mich nach Kräften darum bemühe, einen sicheren Hafen für meine Familie zu schaffen, einen Ort, wo sie zur Ruhe kommen dürfen, wo sie einfach SEIN können und hoffentlich etwas Stabilität und Sicherheit erleben.

Ich bin sehr dankbar, dass mein Vater uns diese Türe geöffnet hat. Das ist absolut keine Selbstverständlichkeit für mich. Unsere Rückkehr nach Deutschland war natürlich nicht der Grund dafür, dass er sich ein neues Zuhause gesucht hat. Aber diese zwei Dinge haben sich zeitlich gesehen tatsächlich gut getroffen. Und nun versuchen wir unseren Teil dazu beitragen, dass mein Elternhaus weiterhin Teil unseres Lebens und unserer Familiengeschichte spielen darf.

 

*Zitat aus: Willkommen an meinem Tisch; Veronika Smoor

2 Kommentare

  1. und noch ein Kommentar:
    Zuhause. Ich werde immer mal gefragt, wo meine Heimat ist, wo ich mich zu Hause fühle… Nach vielen Jahren Afrika und auch dort immer wieder an verschiedenen Orten, nach einigen Umzügen in Deutschland und im Moment ein Wanderleben um Kindern und Enkeln beizustehen – wo ist meine Heimat? Da, wo ich wohne ist Fulda und da kenne ich mich aus. Da sind meine Freunde, meine Gemeinde. Aber ich muss sagen, dass mir das Gefühl, eine Heimat an einem bestimmten Ort zu haben fehlt – und ich es auch nicht vermisse. Da, wo ich mit meinem Mann zusammen sein kann, da wo meine Kinder oder auch Freunde sind – da fühle ich mich wohl. Aber ich freue mich auf die „richtige Heimat“ – die für mich der Himmel ist – das Zusammensein mit Gott. Ich glaube, dann bin ich echt angekommen 🙂

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