Schüleraustausch praktisch: Unser Besuch aus Frankreich

So einen richtigen Schüleraustausch habe ich während meiner ganzen Schulzeit nie mitgemacht. Da gab es lediglich die Studienfahrt nach London in der 9. Klasse, an die ich noch sehr eindrückliche Erinnerungen haben!

Die Busfahrt erschien endlos und ich konnte wie erwartet überhaupt nicht schlafen. Meine Freundin hingegen saß neben mir, hat ihren Kopf zur Seite gelegt und weg war sie! Jahrelange Übung, da sie von Kindheit an jeden Sommer tagelange Autofahrten in ihr Heimatland Türkei überstehen musste. Ich schätze, da lernt man dann in jeder Lage zu schlafen. Nun ja, ich kann es nicht, denn selbst wenn ich ein Bett habe, klappt das mit dem Schlafen nicht immer einwandfrei.

Dann kam die Überfahrt mit der Fähre – es war total neblig an diesem Morgen, so dass wir nur wenig sehen konnten. Erst kurz vor unserem Ziel brach ein bisschen Sonnenschein durch. In England ist mir nicht nur die andere Architektur und Landschaft aufgefallen, sondern auch die unzählig vielen Kreisverkehre. Das war ja was ganz Neues, denn bei uns gab es zu dieser Zeit fast ausschließlich klassische Kreuzungen. Hier fuhr man nun gefühlt ständig im Kreis… und mir wurde schlecht!

Ich war sehr dankbar, dass ich nicht alleine bei einer Gastfamilie wohnen musste, sondern in der vertrauten Gesellschaft von zwei Freundinnen dieses unbekannte Terrain betreten durfte. Als wir vor dem schmalen Reihenhaus standen (Bild oben rechts) war mein erster Gedanke: Wie kann man in so einer Schuhschachtel wohnen und dann sogar noch Platz für 3 Austauschschüler haben?! Ja, das Häuschen war wirklich winzig; unser Zimmer erschien dagegen fast schon groß. Vermutlich war es auch das größte Zimmer im ganzen Haus!

Viel Zeit haben wir eh nicht in unserem „Zuhause“ verbracht, da wir von morgens bis abends in und um London herum unterwegs waren. Wir haben echt viel gesehen in dieser Zeit. Und da mein Englischlehrer sehr gerne zu Fuß unterwegs war, ist unsere Klasse mit Abstand am meisten gelaufen. Wir haben in diesen fünf Tagen nur zwei Mal die U-Bahn benutzt. Und das auch nur deshalb, weil der Weg zu Madame Tussaud schlichtweg zu weit für einen Fußmarsch gewesen wäre! Ansonsten waren es unsere Füße, die uns von einer Sehenswürdigkeit zur anderen getragen haben. Und meine waren schon nach dem ersten Tag in London mit Wasserblasen übersät.

Kurze Abkühlung am Trafalgar Square

Da kam der Tagesausflug nach Cambridge wie gerufen, denn an diesem Tag blieben dank der längeren Busfahrt nicht ganz so viele Stunden zum Laufen übrig. Es war wunderschön in dieser alten Universitätsstadt.

In dieser Woche habe ich mir nicht nur die Füße wund gelaufen und viele wunderschöne Dinge gesehen, sondern auch meinen ersten richtigen Kulturschock erlebt. Angefangen beim – meinem persönlichen Empfinden nach – sehr sonderbaren Essen, bis hin zu dieser enormen Beeinträchtigung der Verständigungsfähigkeit. Und dabei hatte ich ja schon fast fünf Jahre Englischunterricht hinter mir!?

Noch heute erinnere ich mich an dieses unangenehme Gefühl, wie mir das ungetoastete Toastbrotsandwich mit seinem undefinierbaren Belag am Gaumen klebt und kaum noch zu lösen ist. Das Einzige, was ich letztlich von meinem umfangreichen Lunchpaket noch gegessen habe, war der Apfel. Wie gut, dass wir ein wenig vorgesorgt hatten.

Bei der Heimreise glich die Fährfahrt eher einer Achterbahnfahrt. Wir sind in den schmalen Gängen von Wand zu Wand geschwankt und trotz Dunkelheit und Niederschlag habe ich mich in regelmäßigen Abständen an die frische Luft gekämpft, weil diese einfach richtig so gut getan hat und der heftige Seegang an der Reling sich nicht ganz so schlimm angefühlt hat.

Aber nun genug der Erinnerungen und zurück in die Gegenwart. Bei uns stand also der Besuch von Nasyas Austauschschülerin aus Nimes an. Nasya hatte schon vor einiger Zeit die Kontaktdaten von ihr erhalten, so dass sie via Email ersten Kontakt aufnehmen konnte. Die zwei haben sich dann auch ein paar kurze Mails geschrieben, und Nasyas Vorfreude stieg täglich an.

Als dann der Freitag kam, haben wir eine Matratze in Nasyas Zimmer gelegt und das Bett fertig gemacht. Außerdem hatte Nasya einige Kleinigkeiten als Willkommensgruß gebastelt.

Die Ankunft sollte gegen 20 Uhr am Freitagabend sein, weswegen Nasya an diesem Tag nicht mit zum Schwimmtraining gefahren ist. Ha-Di musste an diesem Nachmittag nach Heidelberg, da er dort abends einen Vortrag zu halten hatte. Und von dort aus ging es für ihn direkt weiter zu seinen Eltern. Da er am Samstag zwei Workshops auf einer Konferenz in Berlin zu halten hatte, hatte er eine Übernachtung in Fulda eingeplant.

Ich war also allein daheim, was mir an diesem Freitag sehr viele Fahrdienste beschert hat. Zuerst drei Kinder zu den Rangern fahren, dann Romy zum Training und auf dem Rückweg wieder zwei Kinder von den Rangern holen. Während die beiden dann ihr Abendessen zu sich genommen haben, bin ich mit Nasya zum Bahnhof gedüst, um ihre Austauschschülerin in Empfang zu nehmen. Die Truppe aus Frankreich war sogar schon da und so konnten wir zügig zurück nach Hause fahren, wo ich erst mal Josia ins Bett gebracht habe. Als er dann geschlafen hat bin ich los, um Romy wieder abzuholen. Und knapp 1,5h später kam mein Schwager an, und ich bin erneut zum Bahnhof gefahren um ihn zu holen. Er hat von Donnerstag bis Samstag bei uns übernachtet, da er an einer Konferenz in Stuttgart teilgenommen hat.

Auch der Samstag began mit einer Fahrt zum Bahnhof – Schwager wieder verabschieden. Josia und ich habe dann gleich die Brötchen für unseren geplanten Ausflug eingekauft. Und als wir wieder heim kamen, waren tatsächlich schon alle Kinder wach! Damit hatte ich nicht gerechnet. Aber es kam mir sehr gelegen, denn so konnten wir schon kurz nach 9 Uhr los. Unser Ziel war mal wieder der Zoo, schließlich mussten wir unserer Besucherin ein bisschen was von der Gegend hier zeigen.

Kurzfristig hat sich noch ein Mädchen aus Nasyas Parallelklasse mit ihrer Austauschschülerin angeschlossen, was für die zwei Französinnen sehr gut war! So konnten sich die zwei Freundinnen in Ruhe in ihrer Sprache unterhalten und auf diese Weise den Ausflug wesentlich mehr genießen.

Also an diesen Dingern kommen wir inzwischen auch nicht mehr unbeteiligt vorbei. Josia verlangt stets vehement nach Münzen! Es ist aber auch spannend, wie die Münzen in diesem Trichter kreisen, ihr individuelles Lied dabei singen und irgendwann im Loch versinken.

Wenn das Laub fehlt, dann sieht man erst, wie viele Bewohner diese Bäume beherbergen.

Nachdem wir den Zoo verlassen hatten, sind wir zur U-Bahn marschiert. Und dann haben sich unsere Wege am Pragsattel getrennt. Während wir zurück nach Hause gefahren sind, ging es für die zwei anderen Mädels noch in die Innenstadt von Stuttgart.

Zuhause angekommen, wollten die Kinder gerne noch einen Film schauen. Leider bot unsere Home-Videothek keine Kinderfilme in französischer Sprache, geschweige denn mit französischem Untertitel. Aber das Mädel soll ja schließlich Deutsch lernen 🙂 Und so haben wir uns für „Alles steht Kopf“ entschieden. Diese Animationsfilme sind ja meist besser verständlich und vieles erklärt sich auch fast von selbst durch die Handlung. Josia war natürlich überglücklich, dass er seinen Bingbong endlich mal wieder sehen darf. Er feiert diesen Film regelrecht.

Kaum war der Film vorbei, und ich mit den zwei Jungs nochmals für ein paar Minuten an der frischen Luft, als Nasya aufgelöst zu mir gerannt kam. Isabelle habe gespuckt! Auch das noch. Wir sind schnell wieder rein und ich habe einen Blick auf sie geworfen. Aber von wirklicher Verständigung konnte keine Rede sein. Ich kann absolut kein Französisch mehr. In dem Bereich Fremdsprache trifft man in meinem Kopf nur noch auf Englisch oder Swahili.

Wenig später kam ihre Lehrerin und die konnte glücklicherweise sehr gut Deutsch. Wir haben uns beraten und sie hat dann Kontakt mit der Mutter aufgenommen. Nach einem kurzen Telefongespräch war klar, dass solch ein Verhalten schon manchmal bei ihrer Tochter vorkam. Gerade wenn sie aufgeregt sei oder unsicher, würde ihr manchmal übel werden. Sie hatte auch extra Tabletten gegen Übelkeit dabei, wovon sie schon eigenständig eine genommen hatte. Ja, so eine Reise ins Ausland inklusive Aufenthalt bei einer unbekannten Familie, die man selbst kaum versteht – das ist schon eine ordentliche Dosis an Stress für ein Kind, dass gerade mal 12 Jahre alt ist und noch nie so weit alleine verreist ist!

Die Lehrerin zog wieder von dannen und ich habe mich um die Suppe auf dem Herd gekümmert. Bis das Essen fertig war, hatte sich Isabell schon ein wenig erholt und wollte sogar auch ein bisschen was essen. Dafür war ich echt dankbar.

Am Sonntag stand Gottesdienstbesuch auf unserem Programm. Sie war offen, mitzukommen. Und so ging es für uns alle wie gewohnt in die Gemeinde. Ich habe an diesem Sonntag allerdings gleich zwei Gottesdienste besucht – und den ersten sogar ganz ohne meine Familie, dafür mit meiner Schwester und zwei ihrer Freundinnen. Früh ging es los, denn der Godi begann bereits um 8.30 Uhr. Es war sehr lohnenswert und nun kann auch ich sagen, dass ich Bill Johnson live erlebt habe.

Der Nachmittag war ein wenig hektisch bei uns, da mein Mann noch einen dringenden Termin mit seinem iranischen Freund anstehen hatte und am frühen Abend selbst noch die Predigt in einem Gottesdienst in Stuttgart halten sollte. Ich war zwischendurch mit den Kindern hier am Ort im Schwimmbad. Auch diesmal kam die Freundin von Isabell und das Mädel aus Nasyas Para-Klasse mit. Josia konnte sein Glück kaum fassen, dass er endlich wieder baden gehen darf!

Die kommenden Tage waren fast ausschließlich von Seiten der Schule aus organisiert. Bei einigen Aktionen war auch Nasya dabei. So ging es z.B. am Mittwochnachmittag zum Schlittschuhlaufen und am Donnerstag gemeinsam nach Heidelberg. Einen kleinen Zwischenfall gab es leider doch noch. Als die zwei Mädchen am Dienstagnachmittag mit dem Fahrrad auf dem Weg zu Nasyas Geigenunterricht waren, ist Isabell gestützt und hat sich heftig das Knie aufgeschlagen. Ich war zu diesem Zeitpunkt gerade mit Josia draußen. Aber wenn es um Erste Hilfe geht, dann ist mein Mann eher der Profi als ich. Er hat das Knie vorbildlich versorgt und gut verbunden. Und Nasya ist währenddessen schnell noch alleine zu ihrem Geigenunterricht gedüst.

Auch der Abschluss war von gewissen Herausforderungen geprägt. Allem voran fiel auch dieser auf einen Tag, an dem mein Mann nicht daheim war. Bereits Donnerstagnachmittag ging es für ihn nämlich in Richtung Ruhrpott, wo er am Freitag als externer Berater an einer Sitzung teilnehmen sollte.

Hinter mir lag eine ziemlich unruhige Nacht – keine Ahnung, was Josia derzeit so alles umtreibt nachts und warum er immer so früh wach werden will. Ab 5.30 lag der Zwerg also mal wieder bei mir im Bett. Eingeschlafen ist er aber erst, nachdem er aufgestanden ist und es sich dann auf dem Fußboden im Schlafzimmer bequem gemacht hat. Nur wenige Minuten später musste ich allerdings aufstehen. Und als ich dann meine Nachttischlampe angeknipst habe, kam von ihm lautstarker Protest. Das Meckern hat ihm allerdings nicht viel genützt, denn ich musste ja tatsächlich aufstehen.

Als ich angezogen wir, habe ich den brummelnden Sack vom Boden aufgehoben, in mein Bett gelegt und das Licht wieder ausgemacht. Und dann ist dieser Wicht doch tatsächlich ganz selig eingeschlafen, während in der Wohnung nach und nach das morgendliche Treiben seinen Anfang nahm.

Die Kinder haben gefrühstückt, die Französin ihre letzten Sachen verstaut und ich war mit Vesper richten beschäftigt. Da es für Romy und Nasya an diesem Tag zum Schlittschuhlaufen gehen sollte – Wintersporttag – gab es noch Wünsche außer der Reihe zu erledigen, denn Romy wollte unbedingt was Warmes zum Trinken mitnehmen. Verständlich, bei all dem Eis 🙂

Joel war sauer, weil es bei ihm in der Schule keinen Wintersporttag gibt und Josia lag weiterhin tiefenentspannt in meinem Bett. Ich habe mir währenddessen schon mal das Auto vorgeknöpft, denn leider war es heute Nacht so kalt, dass dieses komplett vereist war. Und ausgerechnet heute muss ich mit diesem Ding fahren, denn unsere Austauschschülerin sollte auf 8 Uhr an die Schule gebracht werden.

Ich hab mir also eine Scheibe nach der nächsten vorgenommen. Zum Teil war das Eis aber echt sehr unnachgiebig. Und als ich vor der großen Frontscheibe stand war mir direkt klar, dass ich da mit meinem kleinen Kratzer nicht viel erreichen werde! Enteisungsspray war aber auch nirgends zu finden. Und so habe ich meinen Mann angerufen, der noch ziemlich schlaftrunken klang. Er gab mir einige Optionen, wo ich evt. noch Spray finden könnte. Und tatsächlich gab es noch welches.

Damit bekam die Frontscheibe eine ordentliche Dusche und ich bin schnell wieder zurück in die Wohnung, weil es nun dringend an der Zeit war, Josia zu wecken! Nur noch 20 Minuten, bis wir los müssen – das wird echt knapp!

Romy hat Josia aus dem Bett geholt und sich mit ihm ins Wohnzimmer gesetzt, um zu inhalieren. Da ich den Fernseher an gemacht hatte und dort die Sendung mit dem Elefanten lief, war Josia sogar erstaunlich schnell wach!

Sein Frühstück hatte ich auch schon vorbereitet und als er nach 10 Minuten immer noch nicht durch war mit der Inhalation, haben wir abgebrochen, ihn schnell angezogen und anschließend sein Essen vorgesetzt.

Für mich ging es wieder nach draußen, um einen Blick auf die Scheibe zu werfen. Ein Teil davon konnte ich nun kratzen, aber der Hauptteil des Eises war trotz Spray noch nicht bereit zu weichen. Also nochmals das Ganze und dann habe ich drinnen noch eine Ladung warmes Wasser zur Hilfe geholt. Damit ging es dann tatsächlich ab.

Jetzt nur noch schnell die Zähne vom kleinen Mann putzen, Jacke und Schuhe anziehen und los düsen. Die Austauschschülerin hatte ihren Koffer schon nach draußen gebracht, den wir direkt im Kofferraum verstauen konnte. Aber die Schiebetür ließ sich nicht öffnen! Oh Mann, auch das noch! Und dabei war es inzwischen trotz aller Hetze schon 5 vor 8 Uhr.

Immerhin hatten wir vorne im Auto die kleine Sitzerhöhung von Joel liegen. Dann muss Josia nun einfach damit angeschnallt werden, denn vom Kofferraum aus über die Bänke wollte ich nun auch nicht ins Auto klettern. Die Französin hat sich von Nasya und Romy verabschiedet und neben Josia gesetzt, so dass wir endlich losdüsen konnten. Wie gut, dass die zwei Wintersportlerinnen eine Mitfahrgelegenheit bei Romys Freundin hatten. Sonst hätten wir jetzt auch noch einen Abstecher auf den Bahnhof machen müssen.

Schon nach wenigen Metern Fahrt hat die Scheibe wieder Eis angesetzt und ich musste erneut anhalten und wenigstens ein bisschen kratzen. Gebläse auf heiß, voll auf die Scheibe gerichtet und weiterhin sehr vorsichtig fahren. Erstaunlicherweise waren die Straßen total leer, was für diese Uhrzeit ein Ding der Unmöglichkeit ist! Entweder die Leute kämpfen alle noch mit ihren Autoscheiben und sind deshalb später dran als normal, oder die Krankheitswelle macht sich tatsächlich schon in einer nicht mehr vorhandenen Rush-Hour bemerkbar. So oder so, ich war einfach nur dankbar, dass so wenig Autos unterwegs waren und wir deshalb unerwartet schnell an der Schule ankamen. Es war zwar schon kurz nach 8 Uhr, aber wirklich aufgefallen ist das niemandem.

Ich habe das Mädel im Foyer des Schulzentrums bei ihren anderen Mitschülern und Lehrern abgeliefert, noch ein kurzes Wort mit ihrer Lehrerin gewechselt und mich dann mit Josia zum Kindergarten begeben.

Auch dort fehlen inzwischen über die Hälfte der Kinder wegen Krankheit, und seine geliebte FSJlerin ist leider ebenfalls seit zwei Tagen krank. Er war dennoch guter Dinge, hat sich eigenständig ausgezogen, ich tüchtig zum Abschied gedrückt und sich dann auf den Weg ins Bauzimmer gemacht.

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