Herzlich Willkommen in Glemstown

Für eine gesamte Woche war vom klassischen Schulbetrieb nicht die kleinste Spur mehr vorhanden. Stattdessen wurde gekocht, geputzt, gedruckt, kontrolliert und verhandelt, es wurde eingekauft, produziert, verkauft und konsumiert.

Schon vor vielen Monaten wurde diese Woche im absoluten Ausnahmezustand angekündigt und ausführlich vorgestellt. Wir Eltern mussten auch ein bisschen Geld lassen, denn ohne Startkapital läuft in der freien Wirtschaft leider nicht viel. Es wurden Ideen entwickelt und Betriebe gegründet. Wer sich nicht selbständig machen wollte, musste sich einen passenden Arbeitsplatz in einem der Betriebe suchen oder direkt in die Politik gehen, wobei letzteres nur den älteren Schülerinnen und Schülern frei stand. Natürlich gab es auch eine eigene Währung, für jedes Staatsmitglied eine ID-Karte mit Passbild und allen weiteren wichtigen Daten, eine Post und richtige Zollkontrollen.

Romy hat sich einer Gruppe Mädels aus ihrer Klasse angeschlossen. Sie haben ein Fresh-Fruit-Bar betrieben, wo es verschiedene Smoothies, Schokofruchtspieße und Schokolollies zu kaufen gab. Alles aus eigener Produktion versteht sich. Romy wurde schnell zur Fachfrau für Ananas und Mango, da nur sie wusste, wie man diese Früchte am geschicktesten klein bekommen. Aber an einem Tag kam ihr der Finger dazwischen und sie musste eine kleine Schnippelpause einlegen.

Nasya war „Angestellte“ in einem Henna-Studio. Es gab zwei von dieser Sorte, die auch noch direkt nebeneinander ihre Räumlichkeiten hatten, aber nur bei Nasya hat man ein Freihand-Tattoo erwerben können. Ansonsten wurde mit Schablonen und besonderen Henna-Stickern gearbeitet.

Bereits am ersten Tag kam Nasya ziemlich müde und geschafft nach Hause, weil sie so viel Zeit auf den Beinen verbracht hatte. Ja, arbeiten ist doch ein bisschen anders als die Schulbank drücken 🙂 Sie hat das aber richtig toll gemacht mit der Malerei und schon bald war die Nachfrage so groß, dass sie kaum mehr freie Zeit hatte. „Nun verdienen wir zwar viel Geld, aber ich hab gar keine Zeit, davon etwas auszugeben!“, so ihre Worte im Laufe der Woche.

Am Mittwoch haben wir dem Staat Glemstown einen Besuch abgestattet. Richtig offiziell mit Visum und so. Im Gegenzug bekam man einen Schwung Ditcoins, damit man im Staat überhaupt einkaufen gehen kann. Gefühlt hat sich an diesem Spätnachmittag die ganze Stadt durchs Schulhaus geschoben! Folglich ist man an jeder Ecke einem weiteren bekannten Gesicht begegnet und man hätte den Aufenthalt problemlos mit Dauerquatschen verbringen können. Wir haben uns kurz gehalten und indes versucht, die Betriebe zu finden, wo unsere Kinder ihr „Geld“ verdienen. Ist uns nach etwas Nachfragen sogar gelungen.

An jeder Ecke gab es etwas zu essen, denn der Hauptanteil der gemeldeten Betriebe war in diesem Sektor aktiv! Das meiste war verhältnismäßig günstig und so haben wir schnell den Entschluss gefasst, unser Abendessen hier einzunehmen. Nun musste nur noch das Passende für jeden gefunden werden. Mal gab es lange Warteschlagen, mal einen vorübergehenden Nachschubmangel, da einzelne Zutaten ausgegangen waren, oder auch gewisse technische Probleme. Im Dönerladen hatte es z.B. die Sicherung raus, aber nach dem dritten Anlauf bekam HaDi doch noch seinen gewünschten Döner.

Josia war glücklich mit einer einfachen Butterbrezel, Joel wollte unbedingt bei Romy was kaufen und hat sich dann mit einem Schokololli vergnügt und Annelie war eh die meiste Zeit ohne uns unterwegs, da sie mit drei Schulfreundinnen gekommen war. Annelie hat sich ein Tattoo von ihrer Schwester malen lassen und ein schönes Gruppenbild mit ihren Freundinnen im Fotostudio gemacht.

Bevor es für uns wieder nach Hause ging, haben wir noch ein paar Runden im Spielparadies von unserem Freund – er ist Lehrer an der Schule – gespielt. Dort konnte man Auto-Rennen fahren, Tischkicker, Darts oder Airhockey spielen. Das fanden die Jungs natürlich sehr spannend und Joel wäre sehr gerne noch länger geblieben.

Es war schon nach 19 Uhr als wir uns endlich loseisen konnten. Ich hab mich später noch ein zweites Mal auf den Weg gemacht, diesmal zusammen mit meinen Schwiegereltern, die zur früheren Stunde noch keine Zeit hatten. HaDi hat während dessen die drei Kinder versorgt und ins Bett gebracht.

Bei der erneuten Runde durchs Schulhaus habe ich noch ein paar neue Ecken genauer angeschaut. Es war auch längst nicht mehr so voll, was sehr angenehm war. Da Romy bereits Feierabend hatte, konnte sie sich uns direkt anschließen. Nasya musste noch etwas länger arbeiten.

Wir haben im Second-Hand-Laden und im Büchershop etwas Geld ausgegeben, denn irgendwie muss man all die Ditcoins ja unters Volk bringen. Dann noch was kleines Essen und als Nasya endlich zu uns kam, ging es bald darauf nach Hause. Spät genug war es inzwischen schon!

Für die zwei Großen war es eine tolle Woche und sie hatten großen Spaß. Nasya kam noch mit einigen Dingen nach Hause, die sie gekauft oder gebastelt hatte.

Ein Kommentar

  1. Das klingt sehr interessant und war für die Schüler bestimmt einer schöne Abwechslung. 🙂

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