Und die Sprache lernt man automatisch…

Wir kennen sie vermutlich alle. Vielleicht nicht persönlich, aber zumindest durch kurze Begegnungen beim Einkaufen, im Kindergarten, auf dem Schulhof, beim Arzt oder einfach auf der Straße. Manche von uns haben berufsbedingte Begegnungen. Und spätestens da baut sie sich dann auf, ganz unumgänglich und unübersehbar: die Sprachbarriere! Und mit ihr, fast wie ein siamesischer Zwilling, keimt in uns ein Gedanke, nein, eigentlich schon ein Urteil, oder ist es nur ein Vorwurf…?

Warum beherrscht Du nicht die Sprache des Landes, in dem Du wohnst?!

Ich muss gestehen, dass ich genau diesen Gedanken schon sehr oft hatte.

Er kam während meiner Zeit als Lehrerin, als ich selbst Zeuge der Kommunikationswirren wurde, die entstehen können, wenn man versucht, mit Eltern von Schülern in Kontakt zu treten, die keine deutsche Herkunft haben. (Wichtige Anmerkung: Natürlich gilt das nicht für ALLE ausländischen Kinder!)

Er kam während meiner Zeit als Lernhelferin in Afrika, wo ich Kinder aus verschiedenen Familien unterrichtet habe, die die meiste Zeit ihres Lebens außerhalb von Deutschland in einem „fremden“ Land aufgewachsen sind. Einige beherrschten die Landessprache wie ihre eigene Muttersprache, andere konnten nur wenige Worte.

Er kam sogar noch in den ersten Monaten – und Jahren? – hier auf Sansibar, als ich Leuten begegnet bin, die seit vielen Jahren, teils sogar schon Jahrzehnten hier leben und arbeiten, oftmals eng mit Einheimischen zusammen… und trotzdem kaum deren Sprache beherrschen.

Und nun bin ich selbst eine von „DENEN“!

Ich hätte nie gedacht, dass es so kommen würde. Und natürlich habe ich das niemals so geplant. Als wir vor neun Jahren hier her gezogen sind, hatte ich eigentlich keinerlei Zweifel daran, dass ich eines Tages ebenfalls Swahili sprechen werde. Natürlich niemals so gut und fließend wie das bei meinem Mann der Fall ist, der das große Glück hatte, Swahili in seinen Kindheitstagen beim Spielen von seinen einheimischen Freunden zu lernen – sozusagen als zweite Muttersprache. Aber ich war sehr zuversichtlich, dass ich das schon irgendwie und irgendwann schaffen werde. Denn schließlich haben das schon so viele vor mir gemeistert.

Aber ich musste selbst erkennen – und bekennen -, dass man eine Sprache eben nicht „einfach so nebenbei“ lernt,  nur weil man in dem Land lebt, wo sie gesprochen wird.

Das passiert wirklich nur dann, wenn man der Sprache intensiv ausgesetzt ist – am besten täglich und für viele Stunden. Auf diese Weise haben meine Kinder recht zügig Englisch gelernt! Oder dann, wenn man sich selbst aktiv darum bemüht, diese Sprache zu erlernen. So sieht zumindest mein derzeitiges Fazit aus wenn ich zurück blicke. Und ich weiß auch, was ich anders machen würde. Aber man kann die Zeit bekanntlich nicht zurück drehen!

Ich kann aber einen kleinen Einblick in meine Sprach-Lern-Versuche geben 🙂

Wenn ich mich richtig erinnere, hat es knapp drei Monate gedauert, bis ich mit dem Sprachunterricht begonnen habe. Da mein Mann von Anfang an sehr beschäftigt und die meiste Zeit außer Haus war – oder bei der Arbeit am und im Haus -, stand für mich fest, dass ich es zeitlich mit zwei kleinen Kindern nicht schaffen werde, einen richtigen Kurs an der Sprachschule zu besuchen. Dafür hätte ich nämlich jeden Vormittag mindestens 4 Stunden im Unterricht verbringen und am Nachmittag dann Hausaufgaben und Lernzeiten einbauen müssen. Und das wäre nur möglich gewesen, wenn ich ein Kindermädchen eingestellt hätte, was ich zu diesem Zeitpunkt aber auf keinen Fall machen wollte! Für mich war immer klar, dass meine erste Aufgabe und Verpflichtung die Familie und somit meine kleinen Kinder sind! Ganz zu schweigen davon, dass mich der Alltag in diesem fremden Land in den ersten Wochen und Monaten mehr als Vollzeit in Beschlag genommen und nicht selten ziemlich überfordert hat… Aber das ist eine andere Geschichte.

Umso dankbar waren wir, als mein Mann eines Tages Claudia getroffen hat. Sie war selbst erst vor wenigen Monaten aus Deutschland hier her gezogen und hat am Sprachinstitut in der Stadt Deutsch als Fremdsprache unterrichtet. Außerdem hatte sie Swahili studiert und darin ebenfalls einen Abschluss. Sie war direkt bereit, mir Privatstunden zu geben und das sogar bei uns daheim. Und ich war einfach total glücklich, dass ich Swahili nicht über den Umweg Englisch unterrichtet bekomme – denn genau das ist natürlich der Fall, wenn man einen Kurs an der Sprachschule belegt.

Von da an kam Claudia zwischen ein bis drei Mal pro Woche zu uns nach Hause. Sie hatte eine Tochter in Nasyas Alter und während wir uns mit der Sprache beschäftigt haben, konnten die drei Mädels gemeinsam spielen. Das war ein echtes win-win für alle Seiten.

Sprachelernen 2007
Beim Sprachunterricht Anfang 2007

drei Mädels zugeschnitten

Im Sommer 2007 gab es dann allerdings eine längere Unterrichtspause, da sowohl wir als auch Claudia nach Deutschland geflogen sind. Und als wir wieder zurück waren, musste erst eine neue Routine gefunden werden. Claudia hatte inzwischen aber deutlich mehr Unterricht an der Schule und ich war längst nicht mehr ihre einzige Privatschülerin. Somit war ihr Terminkalender recht voll und zeitgleich war mein Kopf extrem unbrauchbar. Durch all den Schlafmangel und das monatelange Stillen hatte ich an vielen Tagen schon ernsthafte Probleme, mich in meiner Muttersprache verständlich zu machen. Und wenn wir uns dann für den Swahiliunterricht getroffen haben, war all das, was wir in der Stunde davor behandelt hatten, komplett weg. Löschtaste! Ich kam mir so vor, als würde ich ununterbrochen auf der Stelle treten. Und ganz gleich, wie oft ich mir meine Vokabeln im Laufe eines Tages angeschaut hatte, ich konnte sie einfach nicht abrufen.

Das war für mich eine sehr ungewohnte Erfahrung. Denn während meiner Schulzeit musste ich mir Vokabeln oder sonstige Dinge nur ein oder zwei Mal durchlesen und ich wusste sie – zumindest für eine gewisse Zeit. Wenn ich sie dann allerdings nicht aktiv benutzt habe, wurden sie irgendwann von neuen Lerninhalten überlagert und vergessen. Aber das sowas innerhalb von Tagen passiert, oder sogar Stunden, war mir total neu – und es war extrem frustrierend!

Da saß ich nun mit meinen drei kleinen Mädels und hatte aufgrund all der vielen Anforderungen, die das Leben mit Kleinkindern nun mal mit sich bringt, gefühlt keine Luft mehr zum Atmen, geschweige denn sowas wie Zeit nur für mich. Mit Mühe und Not habe ich mir Zeiten freigekämpft, um meine Wörter zu lernen und meine Hausaufgaben zu machen, nur um zugleich feststellen zu müssen, dass ich alles wieder vergessen hatte und einfach nichts in meinem Kopf bleiben wollte.

Damals kam ich zu dem Schluss, dass ich unter diesen Umständen den Sprachunterricht vorerst einstellen werde. Es hat mich Zeit und Kraft gekostet, die ich gefühlt einfach nicht übrig hatte. Wäre dabei wenigstens ein wenig Erfolg zu verbuchen gewesen, hätte ich vermutlich weiter gemacht. Aber das war ja leider nicht der Fall.

Etwa zur selben Zeit kamen unsere ersten Teammitglieder und damit das Englisch. Ich hatte zwar vor vielen Jahren über Jahre hinweg Englisch in der Schule gelernt, aber  das „gelernt“ bezog sich eher auf Vokabeln und Grammatik. Wirklich gesprochen habe ich diese Sprache nie. Ja, an dieser Stelle könnte man durchaus hinterfragen, wie effektiv der Fremdsprachenunterricht an unseren Schule ist (oder zu meiner Schulzeit zumindest war), denn vermutlich bin ich kein unglücklicher Einzelfall.

Durch unsere englischsprachigen Teamkollegen kam also der aktive Englischunterricht zu mir. Nun musste ich reden und zum Glück ist vieles, was ich einst gelernt hatte, wieder aufgewacht und aktiv geworden. Nach und nach wurde ich sicherer und flüssiger, ich wagte mich an englische Bücher heran, hielt Vorträge – anfangs noch mit ausführlicher Übersetzungsarbeit vorab -, schrieb einfache Emails und Briefe… Ja, endlich war ich in der Lage, wenigstens eine Fremdsprache zu beherrschen! Und dennoch muss ich an dieser Stelle gestehen, dass ich selbst nach Jahren regelmäßigen Sprechens, Lesens und Schreibens wohl nie das Niveau erreichen werde, auf dem sich meine großen Töchter befinden! Aber das ist für mich auch ok so 🙂

Im Laufe der Jahre habe ich immer wieder einen Swahili-Neustart gewagt. Sobald etwas mehr Zeit in meinem Tagesablauf vorhanden war, habe ich feste Studierstunden eingeplant. Ich habe etliche Bücher und zwei dicke Swahili-Sprachkurse, an denen ich mich entlang gehagelt habe – mal mehr, mal weniger ausdauernd. Einst Gelerntes wurde so wieder aufgefrischt und weiter ausgebaut.

Neuankömmlinge im Team waren zeitweise ein kleiner Ansporn für mich, denn dann war ich sozusagen wieder in Lern-Gesellschaft. Aber schon nach kurzer Zeit wurde ich überholt und abgehängt… Ich bin und bleibe wohl einfach das Schlusslicht in unserem Team 🙁

Hätte mir das vor Jahren jemand vorhergesagt, ich hätte es ziemlich sicher mit heftigem Kopfschütteln abgetan. Nie im Traum wäre es mir in den Sinn gekommen, dass ich selbst nach neun Jahren lediglich den Wortschatz eines hochmotivierten und sprachgewandten Touristen haben würde. Ja, ich kann einkaufen und einfache Gespräche führen, wenn überwiegend Wörter benutzt werden, die mir vertraut sind. Wenn mein Mann am Telefon ist, kann ich mir oftmals gut zusammenreimen, um was es geht. Aber ich könnte es nie im Leben übersetzten. Die Verständigung mit meiner Haushaltshilfe hat sich in all den Jahren auch gut eingespielt. Aber das war´s dann auch schon!

Mein Hauptproblem liegt meiner Ansicht nach nicht darin, dass ich zu schnell und zu früh aufgegeben habe. Ich glaube, diese Entscheidung war zum damaligen Zeitpunkt wirklich richtig für mich und meine Situation.  Aber was ich rückblickend sicher sagen kann: ich hätte von Anfang an viel mehr Swahili hören müssen! Mich der Sprache passiv aussetzen und einfach nur zuhören, zuhören, zuhören… Und es hätte nicht geschadet, wenn ich vom Grundtyp her mehr nach außen orientiert wäre. Denn in diesem Fall hätte es mich nicht immer so extrem viel Überwindung und Kraft gekostet, aktiv den Schritt zu machen, nach draußen zu gehen und mich kopfüber ins Sprachübungsfeld zu stürzen.

Immerhin bin ich nicht ganz alleine mit meinem Sprachproblem, denn meine Kinder stehen mir in diesem Bereich in nichts nach. Sie hatten zwar alle – teils schon über Jahre hinweg – Swahiliunterricht in der Schule. Aber bei einer Stunde in der Woche ist nicht gerade viel Frucht entstanden.

Irgendwie ist das schon traurig, da mir die Sprache ansich gefällt. Ich finde, sie klingt schön und sie hat ihren Reiz, da sie einen ganz anderen und eigenen Charakter hat und in keinster Weise mit Deutsch, Englisch oder Französisch vergleichbar ist.

Nun ja, es ist noch nicht aller Tage Abend und vielleicht wird selbst für mich irgendwann der Zeitpunkt kommen, an dem ich diese Sprache in dem Umfang beherrsche, dass ich eine richtige Unterhaltung führen kann und nicht ständig das Gefühl habe, ein Fremdling zu sein 🙂

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.