Allein unterwegs

Ditzingen, 8.30 Uhr. Ich sitze am Esstisch, hatte bereits ein leckeres – wenn auch einfaches – Frühstück und genieße die vertraute Aussicht aus dem großen Fenster. Die Sonne scheint, Gras, Büsche und Bäume sind überzogen mit einer Schicht Raureif… es ist kalt! Hab im Morgengrauen eine Runde an der sehr frischen Luft gedreht – das tat gut. Nur meine Finger wurden kälter und kälter mit der Zeit. Naja, bei – 4° C und zu dem Zeitpunkt war die Sonne noch nicht zu sehen!

Soviel zum aktuellen Stand, hier mein Eintrag von vorgestern bzw. gestern Nacht – aber da hatte ich leider kein Internet zur Hand.

20.10.11

Ich sitze in Dar es Salaam am Flughafen und warte auf meinen Abflug. Erst gestern haben wir gebucht;  heute geht’s schon los und innerlich bin ich irgendwie noch nicht wirklich auf eine Reise dieser Art, geschweigeden auf das Betreten deutschen Bodens und ein Wiedersehen mit meine Familie, eingestellt.  Zwar habe ich mich seit einigen Wochen mit Flugsuche befasst, aber eventuelle Möglichkeiten  und tatsächliche Realität sind zwei sehr unterschiedliche Dinge. Dazu kommt noch, dass es für mich total ungewohnt ist, so ganz alleine unterwegs zu sein. Kein Kind, für das man verantwortlich ist… einfach nur sich selbst. Das wird nach jahrelangem Familienreisen eine ganz neue Erfahrung für mich werden!

Über zehn Jahre ist es her, seit ich zuletzt  alleine geflogen bin und in gewisser Weise wäre es mir nicht unrecht, wenn diese lange Reise schon vorüber und ich in Stuttgart wäre. Mit Kindern fliegen hat nämlich auch Vorteile: man ist meist so beschäftigt, dass die Reise schneller vergeht. Und nun hab ich Zeit, ungestörte Zeit, kein Kind will was von mir, braucht Hilfe, was zum Trinken, essen, will spielen, muss aufs Klo oder möchte einfach nur auf den Schoss.

Nicht nur für mich ist das alles hier total ungewohnt – auch für meine Familie! Bisher war ich noch nie so lang von meinen Kindern getrennt, und besonders für Joel wird dies eine spezielle Erfahrung werden. Er war heute am Flughafen auch ziemlich verwirrt und sehr anhänglich.

Es hat sich so viel verändert seit dem letzten Besuch in Deutschland. Mein Vater hat geheiratet und daraufhin wurde mein Elternhaus  grundrenoviert. Somit wird es erstmals ein nach Hause kommen werden, dass sich evt. nicht mehr wie „nach Hause kommen“ anfühlt. Die Abwesenheit meiner Mutter ist nun auch äußerlich klar sichtbar und ich spüre Trauer und Schmerz darüber… ja, sie fehlt einfach! Und daran wird die Zeit auch nichts ändern, denn es kommen immer wieder Momente im Leben, wo dieser Schmerz über den Verlust  da und sehr real ist.

Ja, es gibt auch einen Grund für meine Reise. Ich werde erstmals Tante von meiner Familienseite aus!

Ich kann mich noch gut an den Tag erinnern, als ich zum ersten Mal Mutter werden durfte.  Eine Geburt zu erleben verbindet einen in besonderer Weise mit der eigenen Mutter. Durch diese einschneidende  Erfahrung tritt man in die Welt der Mütter ein und bekommt eine besondere Art von Respekt für die Leistung der eigenen Mutter.

Auf einen Schlag ist alles neu und da ist dieses kleine Wunder, dass nun zu einem gehört und für welches  man zu sorgen hat – denn es ist auf diese Versorgung und Liebe absolut angewiesen! Schutzbedürftig, klein, verletzlich und hilflos… und als frisch gebackene Mutter hat man meist selbst all diese starken Emotionen in sich und muss damit zurechtkommen.  Halten UND gehalten werden.

In unserer Gesellschaft werden wir oft so allein gelassen. Klar wird man im Krankenhaus tüchtig versorgt, bekommt viele Ratschläge und von allen Seiten Hilfe. Aber dann geht man nach Hause zurück und ist meist (als Eltern) überwiegend auf sich gestellt mit dem neuen „Projekt“ Familie. Meine Gastkultur ist da noch ganz anders geprägt. Als neue Mutter lebt man in der Regel wieder für ein paar Wochen im Elternhaus, oder bei der Schwiegermutter, damit man von den Haushaltspflichten entbunden ist, sich richtig erholen kann und Hilfe bekommt beim Umgang mit dem Neuankömmling – denn gerade beim ersten Kind ist alles unbekannt und der „neue“ Alltag kann dann schnell sehr überwältigend werden. Aber auf der anderen Seite findet vielerorts fast schon zu viel Einmischen statt und es werden  Sitten und Gebräuche praktiziert, weil man es eben schon immer so gemacht hat, ganz gleich, ob es gut ist oder nicht. Meine Schwiegermutter hat erst kürzlich von  einem ihrer Neugeborenenbesuche berichtet, wo  dem Säugling bereits Maisbrei zugefüttert wurde. Das Baby war sehr klein (gut 2kg) bei der Geburt und hatte deshalb wohl gewisse Probleme mit dem selbständigen Trinken. Daraufhin gingen sie davon aus, dass es an der Muttermilch liegen muss und diese wohl nicht ausreichend genug sei. Aber vermutlich war es für das Baby einfach zu anstrengend, sich satt zu trinken.

Hierzulande kommt die Hebamme in den ersten Tagen – und das ist in den meisten Fällen eine große Hilfe, denn wenn man Fragen hat oder unsicher, kann man einfach anrufen. Manchmal kommt auch Mutter oder Schwiegermutter, um in der ersten Zeit zu helfen… und da komme nun ich ins Spiel! Und ich freue mich schon sehr darauf, dass ich die Gelegenheit habe, in dieser besonderen Lebensphase meiner Schwester unmittelbar dabei sein zu dürfen und ihr mit „mütterlichen“ Händen zur Seite stehen darf.

Bisher weiß ich nicht, ob das Baby schon auf der Welt ist. Gestern Abend sind sie ins Krankenhaus gefahren…. und wir warten und beten und hoffen, bald was zu hören!

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Zurück zu meiner Reise. Ich habe Dar während des Sonnenuntergangs verlassen. Und da ich leider nur eine kleine Kamera dabei hatte, konnte ich die tolle Abendstimmung nicht all zu gut einfangen. Zwischen den kleinen Wölkchen sieht man den verlauf der Küstenlinie und eine kleine Insel. Kurze Zeit später bin ich über Sansibar hinweggeflogen. Die zwei Langstreckenflüge habe ich gut überstanden und hatte jeweils einen bzw. zwei Plätze neben mir frei. Konnte mich somit ein wenig ausbreiten und meinen Beinen etwas mehr Raum gönnen. In Doha musste ich leider knapp 8 Stunden auf meinen Anschluss warten – und das mitten in der Nacht. Hab versucht ein wenig Schlaf zu bekommen, aber das hat nicht wirklich geklappt. Beim Landeanflug auf Stuttgart konnte ich mich noch ein wenig mit meiner Nebensitzerin unterhalten – den Rest des Fluges hatte sie fast ausschließlich schlafend verbracht (die Glückliche!). Sie kam direkt aus Indien und war auf dem Weg zu ihrem Ehemann (ein Deutscher). Es war das erste Mal für sie, dass sie so lange geflogen ist und nun ein „westliches“ Land besucht. Sie wollen dann in ca. einem Jahr wieder zurück nach Indien.

Von Stuttgart aus bin ich dann mit der S-Bahn nach Ditzingen gefahren und hatte während der Fahrt genügend Gelegenheit, die wohlvertraute Gegend zu betrachten. Es ist ja so schön herbstlich hier und dazu war es noch wunderbar sonnig!

In Ditzingen stand mein Vater wartend am der S-Bahn und ich konnte meine Koffer abgeben und mich heimfahren lassen.

Hier noch zwei weitere Bilder von meiner Reise:

beim Boarding in Doha und mein müdes Selbst in der S-Bahn 24 Stunden nach meinem Abflug von Sansibar.

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