Blitzlicht Josia: Wenn der Schlüssel steckt…

So ein Elternabend kann sehr aufschlussreich sein, vor allem, wenn das eigene Kind grundsätzlich wenig von seinem Schulalltag berichtet. Bei Josia liegt dies hauptsächlich an seiner sprachlichen Einschränkung. Wenn ich ihn nach der Schule frage, erhalte ich meist ein simples GU als Antwort. Und er benennt mir seine Freunde, aber mehr erfahre ich nicht.

Wichtige Dinge kommuniziere ich deshalb via Email direkt mit seinen Lehrkräften. Aber die kleinen Geschichten des Alltags kommen dabei oft zu kurz. Verständlich, denn dafür haben die Lehrer natürlich nicht die Zeit, aber durchaus auch etwas bedauerlich, denn genau genommen weiß ich nicht so viel darüber, wie Josias Schulalltag aussieht.

Ende letzten Schuljahres hatte Josia eine Phase, wo er immer kurz nach der Ankunft im Klassenzimmer seine Vesperdose ausgepackt und sich seinem Essen zugewandt hat. Da er damit eigentlich bis zur Pause warten sollte, hat er sich recht bald schon vorsorglich unter den Tisch verzogen, um es quasi heimlich zu machen. Das war in etwas so, wie wenn sich ein zweijähriges Kind verstecken möchte, und dafür einfach nur die Augen zu macht.

Um die Sache wieder in den Griff zu bekommen, musste Josia für einige Zeit seine Vesperdose nach Ankunft im Klassenzimmer zur Lehrkraft nach vorne bringen, wo sie bis zur Pause auf dem Tisch ruhte. Er hat zwar tüchtig gemeckert, sowas kann er wirklich gut, und auf „ach ich armes, hungriges Kind“ gemacht. Aber seine Lehrer kennen ihn und seine Schauspielkunst inzwischen gut genug.

Beim letzten Elternabend kam Josias jüngste Aktion ans Licht. Seine Klasse war komplett im gemeinsamen Klassenzimmer versammelt, als seine Lehrerin bemerkte, dass ihr Tablet im zweiten Klassenzimmer liegt. Durch das Konzept der Kooperation stehen der Klasse zwei fest zugeordnete Zimmer zur Verfügung, da sie immer wieder Zeiten haben, wo sie getrennt unterrichtet werden.

Da das Tablet benötigt wurde, machte sie sich auf den Weg nach nebenan. Sie schloss die Türe auf und ließ den Schlüssel im Schloss stecken, da sie ja nur schnell ihr Tablet aus der Tasche holen und wieder zurück zum anderen Zimmer gehen wollte. Dass Josia ihr auf den Versen gefolgt war, hatte sie nicht bemerkt. Mit fachkundiger Hand hat er die Gelegenheit genutzt und die Türe von außen verschlossen. Dann hat er den Schlüsselbund abgezogen und ist damit zurück ins Klassenzimmer an seinen Platz.

Frau Lehrerin wusste in diesem Moment vermutlich nicht, wie ihr geschieht – ein Gefühl, dass mir in Hinblick auf meinen Sohn durchaus vertraut ist. Aber ihr locked-in Zustand war glücklicherweise nicht von langer Dauer. Der kleine Schelm war in der Nacharbeit seiner Tat nämlich ein bisschen ungeschickt, da er den Schlüsselbund direkt vor sich auf den Tisch platzierte und sich stolz grinsend auf seinem Stuhl zurücklehnte, was natürlich nicht unbemerkt blieb.

Und so wurde seine Lehrerin schon nach kurzer Zeit von ihrer Kollegin aus ihrem Gefängnis befreit und der Unterricht konnte wie geplant fortgeführt werden – mit Einsatz des Tablets wohlgemerkt.

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