Die vielen Gesichter des Muttertages

Am 13. Mai 1923 wurde in Deutschland zum ersten Mal Muttertag gefeiert. Somit sind es fast auf den Tag genau 100 Jahre Muttertag! Wie vieles andere zuvor und danach schwappt auch dieser Brauch aus den USA zu uns herüber und ist schon lange nicht mehr wegzudenken.

Bereits in jungen Jahren habe ich wahrgenommen, dass dieser Tag ungeahnte Fahrwasser mit sich bringt und nicht selten von Enttäuschung und Frust begleitet wird.

Als ich heute über dieses Bild (folgt unten, aufgeteilt in drei Bildern) gestolpert bin, zog es nicht einfach nur an mir vorbei, wie so vieles, was jeden Tag in mein Blickfeld gerät. Ich lies mich darauf ein, schenkte meine Aufmerksamkeit und sogleich gingen auch meine Gedanken auf Wanderschaft. Vor mir eröffneten sich weite Auen, farbenfrohe Wiesen, unwegsamen Pfade, beängstigende Abgründe mit zugleich atemberaubender Aussicht, breite Wege und zerbrechliche Stege. Ich nahm mir Zeit für diese Gedankenreise und umbetete ein jedes dieser Pflänzchen, welche den Wegesrand säumten. Aber lies selbst…

bete für jene, die Mütter sind

… Mütter kenne ich viele, und einige dieser Frauen waren und sind zur Mutter für mich geworden, was ein unschätzbar wertvolles Gnadengeschenk ist. Ich bin sehr dankbar für diese Frauen und all die Mütter, ob jung oder alt.

bete für jene, die ein Kind verloren haben

… es wird auch von verwaisten Müttern gesprochen. Erst seit diesem Jahr ist mir bekannt, dass es speziell für diese Frauen einen Muttertag gibt, welcher immer am ersten Sonntag im Mai, und somit genau eine Woche vor dem regulären Muttertag, gefeiert wird.

Mir war die Tragik dieses Lebensumstandes selten so klar vor Augen, wie das momentan der Fall ist. Meine Gedanken wandern zu meiner Freundin, die kurz vor der Entbindung ihres ersten Kindes erfahren hat, dass ihr Baby nicht mehr lebt. Ich sende einen kleinen Kartengruß an die Kindergartenmama, die Anfang des Jahres ihre älteste Tochter durch einen tragischen Unfalltod verloren hat und zugleich kommt mir dabei die frühere Kindergartenbekannte in den Sinn, deren Sohn nur wenige Wochen alt wurde. Dann ist da noch meine Großcousine und eine Freundin aus meiner Jungscharzeit. Es sind so viele, allein in meinem unmittelbaren Umfeld! Für die einen ist diese schmerzliche Tatsache seit Jahren ein fester Teil ihres Lebens. Für die anderen ist es der erste Muttertag in dieser neuen Wirklichkeit, und der einst wohlgemeinte Feiertag wird folglich nie mehr unbeschwert und leicht sein.

Und dann ist da noch die junge Frau, die das kleine Herzchen bereits hat schlagen sehen, die voller Hoffnung war, nachdem sie erst vor einigen Monaten den Schmerz einer Fehlgeburt durchleben musste. Und nun ist es wieder vorbei; einfach so. Bei unserem letzten Onlinetreffen war sie noch Erwartende…

bete für jene, die ein Kind erwarten

… eine solche Erwartende ist unsere ehemaligen Kurzzeitlerin Carina, denn ihr zweites Kind lässt wirklich auf sich warten! Ich spreche ein kurzes Gebet für sie, ihr Ungeborenes und die nahende Geburt. Wann wird sich dieses kleine Menschlein auf seinen ganz eigenen Weg ins Leben aufmachen?

bete für jene, die ihre Mutter verloren haben

… das sind unter anderem auch meine Geschwister und ich. Obwohl zwischenzeitlich viele Jahre vergangen sind, bleibt der Verlust real. Muttertag erinnert – und ich richte meine Gedanken in diesem Moment bewusst auf all die Dinge, die mein Herz mit Dankbarkeit und Freude meiner Mutter gegenüber erfüllen. Sie hat so vieles in jeden von uns fünf Geschwistern hineingelegt, hat sich in uns investiert, uns genährt und geprägt.

Auch einige meiner Freunde teilen diese Erfahrung. Und so findet man sich während dem gemeinsamen Frühstück plötzlich mitten in Gesprächen über Grabpflege und Erbangelegenheiten wieder.

Meine Schwiegermama durchlebt seit einigen Jahren eine ganz eigene Weise des Verlustes ihrer Mutter, denn die Demenz radiert nicht nur großflächig und schonungslos die Erinnerungen eines Menschen aus, sie rüttelt zugleich an den Grundfesten des kommunikativen Miteinanders und verschlingt mit unberechenbarem Hunger lebenslange Vertrautheit.

Und dann ist da noch die Familie, die ich zwar nicht persönlich kenne, für die wir in unserer Frauengruppe in den vergangenen Wochen intensiv gebetet haben. Leider hat die Mutter – sie war vermutlich noch keine 40 – den Kampf gegen die Infektion verloren, und für ihre beiden Kinder ist dies der erste Muttertag ohne Mama.

bete für jene, die sich danach sehnen Mutter zu werden

… wer sehnlichst darauf hofft, ein Baby zu bekommen, vielleicht schon seit vielen Jahren, erlebt den heutigen Tag vermutlich als weiteren, tiefsitzenden Stachel mitten im Herz. Leider kenne ich inzwischen viele betroffene Paare und es kommen konstant weitere dazu. Bei manchen von ihnen hoffe und bete ich mit, teils auch schon seit etlichen Jahren. Bei anderen ist die Zeit des Hoffens und Wartens schon vorüber und die Tatsache unumstößlich. Und einige Wenige erleben inzwischen die Elternschaft, teils durch Adoption oder Pflege, teils sogar durch ein eigenes Kind…

bete für jene, die nie eine Mutter hatten

… wie unvorstellbar ist es doch, wenn man ohne Mutter aufwachsen muss. Mich hat es damals tief betroffen gemacht, als mir meine Swahili-Lehrerin Claudia eines Tages erzählte, dass sie ihre leibliche Mutter nie kennenlernen konnte, weil sie kurz nach ihrer Geburt verstorben ist. Da ist einfach ein großes Nichts in ihrem Leben, das auch in den Jahren danach durch niemanden gefüllt wurde…

bete für jene, die ein Kind mit besonderen Bedürfnissen haben

… eines dieser Kinder gehört auch zu unserer Familie und zu etlichen in unserer Umgebung. Manche kenne ich, seit ich denken kann, wie z.B. die jüngere Schwester meiner Sandkastenfreundin Corinna oder die Cousine meiner Mutter, viele weitere reihten sich tatsächlich erst durch Josia in meinen Bekannten- und Freundeskreis ein. Es sind viele, ganz unterschiedliche Geschichten mit jeweils eigenen Herausforderungen und Besonderheiten.

bete für jene, die ein angespanntes Verhältnis zu ihrer Mutter haben

… auch für dieses Pflänzchen kommen mir einige Menschen mit sehr individuellen Geschichten, Sehnsüchten und Wünschen in den Sinn. Bei unseren Gesprächen bekomme ich kleine Einblicke in ihren persönlichen Schmerz. Ich bete unter anderem für meine Nachbarin, die seit vielen Jahren keinerlei Kontakt mehr zu ihren Töchtern hat. Die eine führt ihr Leben in einem fernen Land, die andere wohnt zwar im Nachbarort, aber der Kontakt ist von Seiten der Tochter komplett abgeblockt. Es bleibt die Leere und der tiefe Schmerz über die nicht gelebte Gemeinschaft, das nicht Anteil haben können, am Leben der Kinder und Enkel.

bete für jene, die eine gute Beziehung zu ihrer Mutter haben

… hier kommt mir sogleich meine Schwiegermutter in den Sinn, die für mich Mama, Freundin und Schwester in einem ist. Ich bin so dankbar für diese wunderbare Frau, die meine Leben so sehr bereichert.

Welches Gesicht hatte der Muttertag bei Dir?

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