Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzt…

Alle schlafen, vielleicht auch meine zwei im Krankenhaus. Es ist 7.30 und bisher habe ich nichts von Ha-Di gehört. Seine letzte Nachricht kam heute Nacht um 2.40 und bis dahin ging es ihr gut und sie hatte ruhig und unauffällig geschlafen. Auch wenn ich selbst nun schon eine Weile wach bin, so war diese Nacht die beste seit Tagen. Und dafür bin ich dankbar! Die vergangene Nacht war für mich die schwerste und ich habe sehr wenig geschlafen. Auch in den Nächten davor hatte ich wenig Schlaf – aber dennoch deutlich mehr als mein armer Mann im Krankenhaus.

Es ist sehr schwer, das alles hier in Worte zu fassen.

Die Ereignisse wiederzugeben ist eine Sache, aber all das, was in uns drin und mit uns vor sich geht ist so viel mehr, tiefer und ungreifbarer – zumindest für mich. Ich merke immer wieder recht deutlich, wie ich ganz bewusst zu mache und versuche, nicht zu viele Gedanken und Gefühle wirklich aufsteigen zu lassen… weil ich genau spüre, dass ich dann den Boden unter den Füßen verlieren würde. Stehen zu müssen und einfach den Alltag zu bewältigen ist mein Fokus auf der einen Seite. Aber all dies geht nur, weil ich versuche, in all dem den Blick auf unseren Herrn nicht zu verlieren.

„Ich schaue auf zu den Bergen, woher mir Hilfe kommt…“

Es ist gar nicht so einfach, den Kopf zu heben und aufzuschauen, wenn um einen herum und in einem drin der Sturm tobt. Wenn man nicht weiß, wann es vorüber sein mag und wie wir alle am Ende aus dieser Sache heraus kommen werden.

Wir erfahren viel Zuspruch und Ermutigung – es tut gut, aber in manchen Momenten scheint auch da vieles nur an einem vorüber zu ziehen. Und man nimmt es alles nur wie einen vorbeifahrenden Zug war… unscharf, nicht greifbar, einfach zu schnell.

Vor ungefähr einem Monat wurde uns im Gottesdienst Psalm 91 zugesprochen. Und dieser Psalm hat uns in den vergangenen Tagen begleitet. Wir wollen daran festhalten, was hier geschrieben steht. Wir wollen uns bewusst unter den Schirm unseres Vaters stellen und uns seinem Schutz und seiner Herrschaft anbefehlen.
Uns sind die Hände gebunden, wir spüren die Hilflosigkeit und Ohnmacht. Abwarten fällt unter gewissen Umständen so ungemein schwer. Aber genau dazu sind wir angehalten.

annelie u schirm 1

Nun kurz ein paar Fakten – wie gesagt, der deutlich leichtere Part.

Am Dienstag wurde Annelie auf die Intensivstation verlegt. Sie hat den Rest des Tages nur geschlafen und auch die meiste Zeit in der Nacht. Am Mittwoch kam sie langsam zu sich. Sie hatte einen relativ guten Vormittag, auch wenn sie weiterhin die meiste Zeit schlafend verbracht hat und immer nur kurze Momente wach war. Aber in diesen Zeiten konnte man mit ihr kommunizieren. Sie gab Antworten, meist in Form von Kopfbewegungen. Oft hat sie es aber noch nicht einmal geschafft, ihre Augen richtig zu öffnen. Allerdings waren die behandelnden Ärzte von der Station der Meinung, dass sie schon deutlich wacher sein müsste. Da sie jedoch auf der Erwachsenenintensiv lag, sind manche Einschätzungen etwas überschätzt, denn Kinder reagieren in vielem deutlich anders als Erwachsene. Von Seiten der Kinderklinik kamen die Aussagen, dass ihre Schläfrigkeit und Benommenheit durchaus noch von all den Medikamenten herrühren könnten und nicht automatisch als direkte Auswirkungen ihrer Krankheit selbst gewertet werden sollten. Aber weil weiterhin unklar ist, was sie überhaupt hat, sind wir alle stets auf genaue Beobachtung ihres Verhaltens und ihrer Überwachungswerte konzentriert.

Annelie EEGAm Mittwoch wurde ein kurzes EEG bei ihr gemacht. Am Nachmittag stand noch ein MRT vom Gehirn an, um zu sehen, ob Veränderungen vorhanden sind. Eine akute Hirnentzündung müsste im MRT sichtbar werden – aber die Ärzte waren sich einig, dass keine Auffälligkeiten zu sehen sind. Das war für uns eine die erste große Erleichterung!

Auch am Mittwoch war ich nur für wenige Stunden im Krankenhaus. Da wir immer Josia dabei haben, ist es oft nicht so einfach. Wir sind so dankbar, dass meine Schwester im Augenblick ein paar Frei-Tage hat. So konnte sie uns immer wieder begleiten und dann z.B. bei Annelie sein, während Ha-Di und ich mit dem Kleinen ein wenig an die frische Luft sind.

Die anderen Kinder waren zusammen mit ihren Tanten im Zoo, der wegen gutem Wetter und Sommerferien leider sehr überfüllt war. Schön fanden sie es dennoch und wir waren dankbar, dass sie so einen guten und abwechslungsreichen Tag erleben konnten.

Kids zoo

Am Donnerstag habe ich Ha-Di für eine Weile nach Hause geschickt. Die Mädels waren am Vormittag bei Debo und Dodo zum Karten basteln – was sie total genossen haben! Joel ist in den Kindi. Und als ihn dann sein Papa abgeholt hat, war er so richtig glücklich 🙂 Am Nachmittag sind die Kinder auch noch bei den Tanten geblieben. Und sie haben es sogar gewagt, Josia mit auf den Spielplatz zu nehmen. Da seine Schwestern um ihn waren, blieb er entspannt und war zufrieden.

Dodo mit kids

Annelie hatte deutlich längere Wachphasen. Man konnte sich richtig mit ihr unterhalten, auch wenn ihre Antworten meist leise und sehr zögerlich kamen. Ich hab ihr viel vorgelesen und zeitweise auch vorgesungen. Aber gerade das Singen war gar nicht so leicht, wie sonst immer. Ich kenne so viele Lieder in- und auswendig, aber hier am Krankenbett meiner Tochter schien mein Kopf die meiste Zeit wie leergefegt. Zuerst wollten mir gar keine Lieder einfallen. Und wenn ich dann was hatte, kam ich vom Text her nicht all zu weit. Aber ich hab dennoch gesungen – das bisschen, was mir gerade noch so eingefallen ist.

Am Nachmittag sollte Annelie wieder in die Kinderklinik verlegt werden. Eine Ärztin von dort kam, um sich ein Bild von ihr zu machen und ihr OK für den Umzug zu geben. Also hab ich alles zusammen gepackt. Vorab mussten aber noch ein paar „Leitungen“ aus dem Kind entfernt werden. Die Nadel in der Armbeuge und die an ihrer Hand wurde gezogen, und abschließend auch noch der Zugang in die Beinaterie. Das war wirklich nicht so schön, da diese Stelle in der Leiste ziemlich schmerzempfindlich ist und dieses Ding zum sicheren Halt auch noch auf beiden Seiten mit einem kleinen Faden festgenäht war. Sie musste ziemlich weinen, bis dann alle Pflaster weg und das Röhrchen endlich raus war. Und anschließend war sie sichtlich erschöpft und ist kurze Zeit später eingeschlafen.

Gegen 15 Uhr kamen zwei Schwestern von der Kinderstation, um uns zu holen. Annelie hat ihren Umzug komplett verschlafen, wofür ich sehr dankbar war. Somit war der Stressfaktor für sie nicht ganz so hoch.

Wir kamen zurück in unser altes Zimmer und kurze Zeit später ist sie wieder aufgewacht. Aber ich fand, dass sie in einem deutlich schlechteren Zustand war, als vor ihrem Umzug. Ihr war heiß, sie war etwas verschwitzt und einfach insgesamt vom Eindruck her hat sie auf mich wieder viel schwächer gewirkt.

Bald darauf kam Ha-Di zurück, erstmals ohne Josia. Ich bin recht zügig aufgebrochen, da es bereits spät war. Als ich dann endlich bei meiner Schwägerin ankam, hatte sie einen ziemlich verweinten Josia auf dem Arm. Er hatte noch ein kurzes Nickerchen gemacht und als er dann wieder wach wurde, konnte ihn nichts und niemand mehr beruhigen.

Die Nacht von Donnerstag auf Freitag war für mich irgendwie die schwerste seit Beginn dieser ganzen Geschichte. Irgendwie sind in dieser Nacht ziemlich viele Sorgen in mir aufgestiegen und ich hab wenig Schlaf gefunden. In mir drin war alles wie offen und gleichzeitig so unter Strom. Immer wieder kamen kurze Updates von Ha-Di. Sie hatte zwischendurch erneut ein wenig erbrochen und war einfach weiterhin so extrem schwach.

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