Zehn Jahre Annelie

Dass wir diesen Tag feiern dürfen, ist für mich seit August 2014 wirklich ein ganz besonderes Geschenk! Dankbarkeit, Staunen und Freude erfüllen mich immer wieder aufs Neue – und heute ganz besonders, denn wir dürfen ein weiteres Lebensjahr feierlich einläuten: unser „kleines“ Mädchen wird tatsächlich schon 10 Jahre alt! Das ist echt krass 🙂

Bereits ihre Geburt war ein richtiges Abenteuer.

Wir waren an jenem Abend ziemlich verlassen in der kleinen Arztpraxis im Herzen von Dar es Salaam und ich konnte selbst nicht so recht abschätzen, wie sich das Ganze in den kommenden Stunden entwickeln wird. Wenn man beim letzten Arztbesuch vor der Entbindung zum Abschied eine kleine, braune Tüte in die Hand gedrückt bekommt inklusive dem tröstlichen Hinweis, dass da alles drin ist, was man für die Geburt im Ernstfall zur Hand haben sollte, dann weckt das nicht gerade das Gefühl von Zuversicht und Geborgenheit. Deshalb war auch klar, dass wir lieber früher als später aufbrechen, wenn sich erste Geburtsanzeichen bemerkbar machen. So sind wir an einem schwülen Donnerstagabend in Richtung Stadtzentrum gefahren, denn schließlich war der errechnete Entbindungstermin erreicht und erste Wehen spürbar.

In der Praxis wurden wir von einer Nachtschwestern in Empfang genommen. Die Ärztin kam kurz darauf und hat sich ein Bild von der Lage gemacht. Viel los war nicht mit den Wehen. Aber da der Muttermund schon ein wenig geöffnet war, wollte sie mich lieber hier behalten.

Es war ja nicht die erste Geburt, die mir bevor stand. Aber irgendwie habe ich in diesem Moment doch Neuland betreten. Ich befand mich im Ausland, fernab der mir vertrauten Kultur und Umgebung. Und obendrein war ich noch nicht einmal in einem richtigen Krankenhaus! Die Ärztin war auch keine gelernte Gynäkologin, hatte aber schon jahrzehntelange Erfahrung in diesem Bereich und sehr viele Kinder entbunden. So gesehen habe ich mich bei ihr deutlich sicherer und wohler gefühlt, als dies in einem afrikanischen Krankenhaus der Fall gewesen wäre. Denn auch diese Alternative hatten wir uns im Vorfeld angeschaut.

Nach einigen inneren Kämpfen, haben wir auf den Rat der Ärztin gehört, und sie durfte die Fruchtblase gewaltsam öffnen. Sie hatte sich dadurch einen Wehenanschub erhofft; der kam aber nur bedingt. Ich hatte durchaus immer mal wieder stärkere Wehen, aber genauso zuverlässig kamen auch kurze und schwache. Die Abstände blieben relativ groß und waren vor allem alles andere als regelmäßig. Dennoch war klar, dass es nun kein Zurück mehr gibt!

Die Ärztin ging nach kurzer Zeit wieder nach Hause, um noch etwas Schlaf zu bekommen – so einen Geburt kann sich schließlich ziemlich in die Länge ziehen – und wir tigerten in der Praxis auf und ab. Ich hätte am liebsten auch geschlafen. Und dann war mein Körper leider ziemlich schnell an der Erschöpfungsgrenze. Vermutlich hatte ich doch mehr kräftezehrende Wehen, als mir bewusst war. Oder es lag mit an der inneren Anspannung und Ungewissheit?! Ich kann es nicht sagen.

Und so haben wir irgendwann mitten in der Nacht – ich schätze es war gegen 3 Uhr morgens – die Ärztin informiert, die auch bald darauf bei uns eintraf. Inzwischen waren die Wehen heftig und mein Körper durchweg am Zittern. Ja, diese Zitter-Phase kommt bei mir leider schnell. Und da in so einem Zustand für mich die Zufuhr von Essen oder Trinken meist undenkbar ist, verlangt alles in mir nach Energie in anderer Form. Schon bei Romy hatte ich zu diesem Zeitpunkt eine zuckerhaltige Infusion gelegt bekommen. In meiner Erinnerung war dies eine echte Hilfe und so habe ich auch diesmal nach einer Infusion gefragt. Die Ärztin ging auf meinen Wunsch ein und kaum lag die Nadel ging es auch schon in die letzte Phase.

Wirklich viel weiß ich nicht mehr, nur das alles dann schneller ging, als ich erwartet hatte. Denn so seltsam wie das alles lief, hätte ich eher damit gerechnet, dass ich noch stundenlang dieses Hin und Her mit den Wehen durchmachen muss. Aber nach einer kurzen Untersuchung meinte die Ärztin, dass ich durchaus schon pressen könnte, wenn es sich danach anfühlt. Und sowas lässt man sich nicht zweimal sagen!

Leider war mein Mann zu diesem Zeitpunkt schon auf dem Boden. Er hat sich nicht wohl gefühlt und die Ärztin hat direkt klare Ansage gemacht, dass er sich dann bitte direkt auf den Boden setzen soll. Denn wenn er umkippen sollte, könnte sie sich nicht um ihn kümmern, weil ich hier erste Priorität hätte. Also saß er auf dem Boden, während ich mich so gut es ging aufs Pressen konzentriert habe – und nebenbei nach seinem Befinden.

Und dann war sie auch schon da! Es war kurz nach 4 Uhr morgens.

Ich habe sie gehört, aber nicht gesehen, weil ich noch immer im Vierfüßlerstand war und die Chefin der Sache sich voll und ganz darauf konzentrierte, dass bei mir möglichst schnell noch die Plazenta kommt. Ich bekam etwas in die Infusion und irgendwie war es ein ziemliches Hin und Her. Ganz verstanden habe ich es nicht. Sie wollte glaub vermeiden, dass ich zu starke Blutungen bekomme.

Wirklich entspannen und endgültig loslassen konnte ich erst, als Annelie dann endlich bei mir lag. Leider war es für sie ein sehr kalter Start ins Leben. Ich kann überhaupt nicht abschätzen, wie lange sie da so einsam, nackt und nass auf dem Bett lag, kaum zugedeckt und geschützt, bevor man sie richtig versorgt und mir in den Arm gegeben hat. Außer der Ärztin – die ja noch voll und ganz mit mir beschäftigt war – gab es nur noch die Nachtschwester. Und die war nicht gerade sehr schnell und geschickt, so dass die Ärztin ihr ständig direkt sagen musste, was sie zu tun hat.

Als sie bei mir war, habe ich sie nicht mehr los gelassen! Ihre Füßchen waren ganz blau und kalt. Deshalb hat die Ärztin später auch noch angeordnet, dass die Kleine unbedingt noch von einem Kinderarzt in Augenschein genommen werden sollte, nicht das sie vielleicht noch ein Probleme mit dem Herzen oder der Atmung hätte.

Wir haben sie gehalten, gewärmt und bewundert. Sie war so winzig, zart und hilfsbedürftig. Ich habe mich dann irgendwann noch ins Bad aufgemacht, um ein bisschen Grundreinigung zu veranstalten, während Ha-Di dann ausgiebig mit Annelie kuscheln konnte. Zum Glück hat mich mein Kreislauf nicht im Stich gelassen, was ich vermutlich der kostbaren Infusion zu verdanken hatte!

Langsam kam der Morgen und damit auch der Alltagsbetrieb, denn die Praxis öffnete ihre Pforten. Es hat noch eine Weile gedauert, bis die gewünschte Kinderärztin dann endlich da war und Zeit für uns hatte. Bis dahin konnte mein Mann die nötigen Formalitäten mit der Sekretärin regeln und die Kosten für die Entbindung entrichten.

Und dann sind wir mit unseren paar Sachen, den druckfrischen Dokumenten und dem kleinen Menschlein zum Auto und haben uns auf den Rückweg gemacht. Mein Mann wollte die Gunst der Stunde noch nutzen, und mit den Papieren vom Krankenhaus zur zuständigen Stelle fahren, wo man die offizielle Geburtsurkunde ausgestellt bekommt. Schließlich lag es fast auf dem Weg. Gesagt, getan. Ich saß auf der Rückbank und hielt mein kleines, schlafendes Wunder im Arm. Das alles war noch total unwirklich für mich. Ich kam mir vor, wie im Film. Wir saßen einfach nur da und  haben gewartet, während um mich herum der laute, hektische Alltag getobt hat. So viele Menschen, Autos, Gerüche, Lärm, Hitze… und ich mit ihr, wie in einer Blase.

Ich erinnere mich nicht mehr an jedes einzelne Detail von dieser einzigartigen Nacht. Ich habe auch nie wieder vergleichbares erlebt.

Und nun feiern wir Annelies 10. Geburtstag

Schon am Vorabend habe ich den Frühstückstisch gedeckt und ihren Platz etwas aufgehübscht. Schöne Blumen konnte ich leider nicht aus unserem Garten pflücken – da herrschen ja gerade der Dreck und die Einöde vor.

Die ersten Geschenke wurden direkt vor dem Frühstück ausgepackt und bewundert. Nach dem Essen ging es beladen mit einer Schüssel voller Schoko-Muffins in die Schule.

Wir hatten für den Nachmittag ganz unverbindlich zu Kaffee und Kuchen eingeladen. Aber da die meisten nahen Verwandten recht lange Arbeiten, war letztlich nur eine Tante. Kurz vor dem Abendessen kam mein Bruder noch auf einen Sprung vorbei.

Wir haben die restlichen Schoko-Muffins genossen und Annelie hatte sich einen bunten Kuchen gewünscht, den sie in einer Kinderzeitschrift entdeckt hatte. Kerzen gab´s dann in doppelter Ausführung, was anfangs für etwas Verwirrung gesorgt hat. Annelie musste sich entscheiden, in welche Richtung sie zuerst blasen soll.

Nachdem alle satt waren hat sich Annelie ihren Geschenken zugewandt. Sie hatte diesmal bei vielen Dingen mitausgesucht, so dass der Überraschungseffekt nur noch bedingt gewährleistet war. Aber das Auspacken hat ihr dennoch sichtlich Freude bereitet.

Und den neugierigen Zuschauern natürlich auch…

Die Kinderklinik musste unverzüglich aufgebaut werden. Zum Leidwesen der Mädels war auch Josia ganz interessiert bei der Sache. Sein Hauptaugenmerk galt vor allem dem Aufzug. Er hat ständig neue Dinge gefunden, die er hoch und wieder runter fahren lassen konnte. Auch das fanden die großen Schwestern ziemlich lästig und sie hätten verständlicherweise viel lieber in Ruhe mit der neuen Kinderklinik gespielt.

Zum Abendessen gab es neben Rohkost kleine Blätterteigschnecken mit Schinken-Käse-Füllung, die allen gut geschmeckt haben und viel zu schnell leer waren.

Und das war´s auch schon – zumindest fürs Erste. Nun muss nur noch irgendwann die Feier mit ihren Freunden untergebracht werden. Ganz wichtig!

Herzlichen DANK auch an alle, die angerufen, gemailt, gewhatsappt, gepostkartet oder sonst in irgendeiner Form Grüße, Glückwunsche und kleine Überraschungen geschickt haben! Sie hat sich sehr gefreut!

ANNELIE, WIR LIEBEN DICH!

Wie schön, dass es Dich gibt! Wir liebe es so sehr, Dich in unserer Familie zu haben!

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