Und dann stand sie still…

An den meisten Tagen ist mir nicht wirklich präsent, dass wir uns derzeit in einer Ausnahmesituation befinden. Bei uns daheim herrscht überwiegend Alltag – wenn auch in abgewandelter Form. In vielem ist es momentan entschleunigter und entspannter, zugleich habe ich aber dennoch konstant alle Hände voll zu tun.

Als Mitte März die Schul- und Kitaschließung immer wahrscheinlicher wurde, habe ich weiterhin an der Hoffnung festgehalten, dass es nicht so weit kommen wird. Schließlich gab es sowas noch nie in unserem Land! Und selbst wenn dieser Schritt in vielen Ländern um uns herum bereits Realität geworden war, so blieb ein Teil von mir weiterhin zweifelnd.

Aber dann kam der 13.03.2020 und mit jenem Freitag der Beschluss (nicht nur in unserem Bundesland), dass ab der kommenden Woche der Schul- und Kindergartenbetrieb in der gewohnten Form eingestellt werden und die Kinder für die kommenden 5 Wochen daheimbleiben sollten!

That´s a first time… – dachte ich mir so. Wirklich real war es immer noch nicht. Aber das hat sich natürlich schnell geändert.
Wir hatten immerhin noch den Montag als letzten normalen Tag – und selbst dieser verlief für einen Teil meiner Kinder schon außerhalb der gewohnten Routine.

Seit dem 17. März sind wir nun überwiegend daheim – und mit uns quasi ganz Deutschland und viele weitere Teile der Welt.

STAY HOME ist das Schlagwort, das uns seither an jeder Ecke über den Weg läuft – zumindest in der virtuellen und medialen Welt. Selbst in der Werbung kommt es, Fernsehsender blenden es als Daueransage auf ihrem Bildschirm ein, Google visualisiert es… die Liste scheint endlos. Also bleiben wir brav daheim, wenn wir nicht gerade einkaufen, zum Arzt oder einfach mal an die frische Luft müssen.

Ich muss ein großes Lob an unsere wunderbaren Kinder aussprechen, die sich in den ersten Wochen Homeschooling wirklich tapfer geschlagen haben. Für unsere Mädels war es ja kein first time – und das hat man gemerkt. Ich bin dankbar, dass wir als Familie bereits gewisse Erfahrungen mit dem >Unterricht daheim< gemacht haben, auch wenn die Bedingungen und Umstände vor fünf Jahren ganz andere waren. Und wir hatten auch eine ganz andere Unterstützung als jetzt.

Bis auf wenige Ausnahmen lief die Korrespondenz zwischen den Lehrkräften und meinen Mädels ohne meine Mithilfe. Und das war auch gut so, denn bei Joel musste ich diesen Bereich komplett übernehmen und das war vollkommen ausreichend: Jeden Tag auf der Internetseite nachschauen, ob neue Aufgaben eingestellt wurden, die entsprechenden Arbeitsblätter ausdrucken (mit Umweg über Papas, da der Drucker derzeit nicht mit meinem PC zusammenarbeiten will), Videos laden und Joel anschauen lassen, hin und wieder Dinge erklären und ihn anleiten, die bearbeitete Inhalte abfotografieren und schlussendlich wieder an die entsprechende Lehrkraft mailen. Zum Glück musste ich nicht alles jeden Tag machen :-).

Auch Joel hat sich für seine Verhältnisse erstaunlich gut geschlagen. Es kam zwar regelmäßig die Ansage von ihm, dass Homeschooling nicht sein Ding ist und er keine Lust habe. Und ich kann das durchaus bestätigen, denn Joel ist wirklich nicht für das eigenständige Lernen im Alleingang geboren. Er braucht seine Mitschüler und die Lehrer, denn nur so macht Lernen und Arbeiten Spaß! Die Diskussion über seinen konstanten Hörspielkonsum, der auch während der Arbeitszeit nur dann unterbrochen wurde, wenn er in seinem Buch lesen musste, habe ich schon vor langer Zeit aufgegeben. Nämlich als ich verstanden hatte, dass er sich auf diesem Weg die Gesellschaft holt, die er quasi zum Atmen braucht.

Schon nach wenigen Tagen habe ich unserem neuen Alltag ein bisschen Struktur als Grundgerüst verpasst, denn nichts ist anstrengender, als über einen längeren Zeitraum planlos in den Tag hinein zu leben. Die herkömmliche Wochenübersicht, die bei mir in der Küche hängt und in welcher die Schulzeiten sowie die gesamten Vereinsaktivitäten der Kinder festgehalten sind, ist ja nun bis auf weiteres nicht mehr relevant. Stattdessen hängt dort nun ein einfacher Tagesplan mit festen Zeiten für die drei Hauptmahlzeiten, Zeitfenster für schulisches Arbeiten aber auch für gemeinsame Aktivitäten.

Außerdem habe ich feste Dienste für die vier großen Kinder eingeführt, um mir ein wenig Entlastung bei meinen Aufgaben zu verschaffen. Schließlich sind nun alle rund um die Uhr daheim und die Mehrarbeit, die dadurch in einigen Bereichen anfällt, muss nicht ausschließlich auf meinen Schultern liegen. Irgendwie muss ich ja auch die zusätzliche Betreuungszeit von Josia und die Aufgaben rund ums Homeschooling ein bisschen kompensieren.

Es gibt nun Küche – Haushalt- Ben – Josia -Dienste. Jedes Kind trägt jeweils einen Tag lang für einen der vier Bereiche eine gewisse Mitverantwortung. Auf diese Weise erweitern die Kids ihren Wissenshorizont um einige praktische Dinge wie Kochen, Saugen, Wäsche aufhängen usw. Kinderbeaufsichtigung kennen sie schon, denn das gehörte auch vor Corona ab und an zu ihren Aufgaben, ebenso wie der herkömmliche Tischdienst nach festem Wochenplan.

Wer hätte gedacht, dass unsere komplexe und geschäftige Welt so schlagartig zum Stillstand kommen könnte?! Man kennst sowas eigentlich nur aus futuristischen Katastrophenfilmen, die sehr häufig einen gewissen Touch an unrealistischer Überzogenheit tragen. Und nun soll das alles echt sein und wir mitten drin in diesem sonderbaren Film?!

Es gibt sie noch – die weißen Zeugen des Flugverkehrs

An manchen Tagen stehe ich da und schaue in den strahlend blauen Himmel, den wir momentan wirklich oft zu sehen bekommen. Nebenbei bemerkt: ich bin sehr dankbar für dieses wunderbare Frühlingswetter und den treuen Sonnenschein! Da stehe ich nun also und schaue in den Himmel. Ich führe mir bewusst vor Augen, dass dort oben kaum noch Verkehr herrscht. Und diese Tatsache beschreibt nicht nur die Aktivität im Luftraum, sondern sie ist auch Realität in unzählig vielen Betrieben, die sich seit Mitte März in einer Art Schockstarre befinden. Restaurants, Kinos, Bibliotheken, Messen, Spielplätze, Konzerte, Fußballspiele, Tierparks, Einkaufszentren… ist es wirklich real, dass alles geschlossen ist bzw. abgesagt wurde?

Die Grenzen sind DICHT, die meisten Flüge GECANCELLED, jegliche Art von Veranstaltung GESTRICHEN. Das komplexe System von Wirtschaft und Gesellschaft, mit seinen feinsten und unzähligen Verzahnungen, wurde in weiten Bereichen einfach lahm gelegt beziehungsweise auf Notstandbetrieb gestellt. Und vielerorts muss erst mal ein Weg gefunden werden, wie diese Form von Betrieb überhaupt umsetzbar ist.

Es betrifft nicht nur uns! Die Nachrichten aus aller Welt spiegeln ähnliche Szenarien, viele davon deutlich erschütternder und existenzieller, da die Grundvoraussetzungen leider ganz andere sind, als hier bei uns.

Wenn in einem Land wie Indien eine Ausgangssperre verhängt wird, stehen schlagartig sehr viele Menschen vor dem Hungertod. Als einfache Tagelöhner sind sie schlichtweg darauf angewiesen, ihr tägliches Brot zu verdienen. Ohne Arbeit haben sie kein Einkommen mehr und in den meisten Fälle gibt es auch keine Ersparnisse, um solche Zeiten zu überbrücken. Auch aus Sansibar kennen wir solche Familien.

Allerdings muss man den Blick gar nicht so weit weg richten, denn viele junge Frauen, die in unserem Land in der Prostitution gelebt haben, ergeht es an diesem Punkt ähnlich. Ohne ihr tägliches Einkommen ist kein Geld mehr für ihr Zimmer und für Essen da. Man kann nur hoffen, dass viele dieser jungen Frauen noch irgendwie den Weg zurück nach Hause geschafft haben – falls sie überhaupt ein solches haben.

An den meisten Tagen ist mir all dies nicht wirklich präsent – und in gewisser Weise bin ich dafür auch dankbar. Man kann nämlich sehr leicht in diesen übermächtigen Sog von Sorge, Wut, Trauer, Angst – und was da sonst noch alles an einem ziehen möchte – gezogen werden und regelrecht den Boden unter den Füßen verlieren. Aber dadurch ändern sich an diesen unschönen Umständen kein bisschen was!

Ich versuche mich immer wieder auf den Grundsatz zu besinnen, dass ich jeden Tag für sich alleine nehme und mich nicht groß mit der Frage beschäftige, was morgen oder nächste Woche oder gar nächsten Monat sein wird.

HEUTE – HIER – JETZT!

Dieser Grundsatz ist nicht neu, denn er wird sehr anschaulich bereits in der Bibel beschrieben:

Darum sage ich euch: Sorgt euch nicht um euer Leben, was ihr essen und trinken werdet; auch nicht um euren Leib, was ihr anziehen werdet. Ist nicht das Leben mehr als die Nahrung und der Leib mehr als die Kleidung?
Seht die Vögel unter dem Himmel an: Sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. Seid ihr denn nicht viel kostbarer als sie?
Wer ist aber unter euch, der seiner Länge eine Elle zusetzen könnte, wie sehr er sich auch darum sorgt?
Und warum sorgt ihr euch um die Kleidung? Schaut die Lilien auf dem Feld an, wie sie wachsen: Sie arbeiten nicht, auch spinnen sie nicht.
Ich sage euch, dass auch Salomo in aller seiner Herrlichkeit nicht gekleidet gewesen ist wie eine von ihnen.

Wenn nun Gott das Gras auf dem Feld so kleidet, das doch heute steht und morgen in den Ofen geworfen wird: Sollte er das nicht viel mehr für euch tun, ihr Kleingläubigen?
Darum sollt ihr nicht sorgen und sagen: Was werden wir essen? Was werden wir trinken? Womit werden wir uns kleiden?
Nach dem allen trachten die Heiden. Denn euer himmlischer Vater weiß, dass ihr all dessen bedürft.

Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen.
Darum sorgt nicht für morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen. Es ist genug, dass jeder Tag seine eigene Plage hat. Die Bibel, Matthäus 6, 25-34

Ich muss gestehen, dass sich sowas leicht lesen lässt. Aber es dann auch zu glauben? Und mehr noch, es zu leben?

Das, was wir täglich über unzählige Kanäle sehen, lesen und hören, wiegt oft so viel schwerer, ist deutlich präsenter und setzt sich meist wie von selbst in unseren Gedanken fest. Und dann bleibt kaum noch Platz für die Zusprüche und Verheißungen der Bibel.

Leider verhält es sich ja bei vielen Dingen im Leben so. Und dann sitzt man da in seinem Gedankenkarussell und weiß nicht mehr aus noch ein, weil einem schon ganz schwindelig geworden ist im Kopf und man jeglichen Orientierungspunkt aus den Augen verloren hat. Im Augenblick kann es einem wirklich sehr schnell ziemlich dolle schwindelig werden…

Ja, es ist gerade nicht leicht, sich diesem Karussell zu entziehen. Selbst wenn man sich eigentlich nur als Zuschauer der Sache wähnt, wird man fast automatisch angezogen und mitgerissen. Aber ich habe für mich persönlich den Entschluss gefasst, dass ich sofort aussteigen will, wenn sich meine Gedanken wieder mal anfangen im Kreis zu drehen. Auch wenn sich das nun vielleicht naiv anhören mag oder als simpler Selbstschutz abgestempelt werden könnte. Aber ich habe für mich persönlich festgestellt, dass mich Grübeln und Planen in der aktuellen Lage nicht vorwärts bringt. Mehr noch, es tut mir nicht gut!

Es gibt einfach viel zu viele Variablen in diesem eigenartigen Spiel, als das ich hier einfache Lösungswege erarbeiten und dann auch noch zielsicher anstreben könnte. Also lasse ich es sein und fokussiere meine Energie lieber darauf, meine Gedanken aktiv auf den zu richten, der um all das weiß und der verheißen hat, immer und überall bei mir/uns zu sein und für mich/uns zu sorgen!

Ich bin so dankbar, dass ich diese Möglichkeit habe.

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