Zurück in den Alltag

Wir sitzen gemeinsam am Frühstückstisch. Josia hält seine Inhallette in der Hand und schiebt sich zwischendurch einen weiteren Löffel Müsli in den Mund. Es ist unglaublich, dass er wieder freiwillig und selbständig inhaliert, so wie es vor der Zeit im Krankenhaus völlig normal für ihn war. Aber im Krankenhaus konnten wir ja bis vor wenigen Tagen nur dann inhalieren, wenn er am Schlafen war. Sonst hat er uns das Ding mit voller Kraft aus der Hand geschlagen.

Es ist unser erstes Frühstück daheim. Der Rest der Familie hat bereits gefrühstückt, da es inzwischen schon halb neun ist. Aber das stört Josia nicht weiter. Er hat sehr gut geschlafen und ich auch!

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So ganz allmählich darf bei uns wieder der Alltag einkehren. Für die Schulkinder ging es gestern wieder los. Josia muss sich allerdings noch eine Weile gedulden, bis er wieder in den Kindergarten gehen darf. Davor muss er sich erst noch völlig auskurieren und Abwehrkräfte sammeln, damit ihn nicht gleich der nächste Infekt umhaut.

Ich bin sehr froh, dass wir endlich wieder daheim sein können. Das hat nun doch etwas länger gedauert, als ich anfangs erwartet hatte. Da er sich zu Beginn gut erholt und stetig verbessert hat, war ich so leichtgläubig anzunehmen, dass wir schon Donnerstag oder Freitag wieder entlassen werden könnten. Aber dann gab es ja immer wieder kleine Einbrüche was seinen Sauerstoffbedarf betraf, und das natürlich immer zum Abend hin. Und so verstrich Nacht um Nacht und es gelang ihm einfach nicht, ohne zusätzliche Sauerstoffunterstützung die notwendigen Sättigungswerte zu halten.

Tagsüber war er allerdings alles andere als müde, schlapp und krank. Und da wurde Krankenbett und Krankenzimmer wie ein Gefängnis für ihn. Schon direkt nach dem Aufstehen wollte er raus – und das mit großer Vehemenz. Zielstrebig hat er das Spielzimmer angesteuert und wollte spielen. Folglich haben wir in den vergangenen Tagen möglichst viel Zeit im Spielzimmer verbracht, wie die folgenden paar Bilder zeigen. Und zeitweise hat uns unsere kleine Zimmerkollegin und „Leidensgenossin“ begleitet. Es war nett anzusehen, wie die zwei zusammen gespielt haben.

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Am Sonntagnachmittag hat er dann endlich sein „Nasenfahrrad“ abgenommen bekommen. Seine Werte waren den Tag über konstant gut, und da er das Ding schon seit Tagen sehr stark attackiert hatte, waren die Kleber eh mehr ab als dran. Seine Haut hat allerdings ziemlich unter den Pflastern gelitten und sah richtig rot aus.

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Ein weiterer, treuer Zeitgenosse dieser Tage war der Computer bzw. Fernseher. Auf diese Weise konnten wir Josia immerhin ein wenig zur Ruhe bekommen oder nach Untersuchungen und Antibiotikainfusion wieder besänftigen. Das war an manchen Tagen nämlich ein echter Kampf, von lauten „Nein“ und „Aua“ Rufen melodramatisch untermalt. Selbst beim Wickeln und Anziehen kam regelmäßig „AUA!“

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Seine Infusion am rechten Arm musste deshalb auch immer brav im Handschuh verstaut werden. Ging dieser ab, verzog Josia sofort sein Gesicht, als ob er tatsächlich Schmerzen hätte, und rief erneut „Aua, Aua“, bis alles wieder ordnungsgemäß verpackt war.

Am Sonntag sind wir wieder alle gemeinsam nach Stuttgart gefahren. Als wir eintrafen kam Josia gerade aus der Dusche  – das war auch längst überfällig gewesen, mit all den Kabeln allerdings kaum möglich. Seinen Sauerstoff-Sensor hat er anschließend wieder an den großen Zeh geklebt bekommen; aber das blieb glücklicherweise das einzige Kabel in der folgenden Nacht. Er hat es tatsächlich geschafft, seine Werte zu halten!!! Die ersten eineinhalb Stunden waren sie immer wieder im unteren 90er-Bereich, aber ab dann wurde es zunehmend besser und ich hab mich dann ebenfalls schlafen gelegt.

Immer wenn ich wach war, fiel mein Blick als erstes auf den Monitor. Die Werte hielten sich konstant zwischen 94-100 und ich war so erleichtert. Endlich hatte er es geschafft und nun sollte einer Entlassung eigentlich nichts mehr im Wege stehen. Das Antibiotika bekam er schon seit Sonntag nicht mehr über den Venenzugang sondern als Saft.

Am Montag stand für Josia ein Termin beim SPZ an; aber daraus sollte letztlich nichts werden. Von Seiten der Station wurde alles getan, damit wir diesen Termin trotz stationärer Behandlung wahrnehmen können. Aber Vorschrift ist Vorschrift und da half guter Wille eben auch nicht weiter. Nach mehreren Anläufen und einigem Pendeln zwischen der Station und dem SPZ hätte es fast geklappt. Aber dann kam der SPZ-Arzt höchstpersönlich in die Anmeldung und hat uns einen Strich durch die Rechnung gemacht. Es sei nicht mehr genügend Zeit übrig für das, was er alles machen möchte. Also sind wir unverrichteter Dinge auf die Station zurück, um dort auf unsere Entlassung zu warten. Es ging zum Glück recht zügig und wir bekamen noch die Gelegenheit, uns kurz mit dem Stationsarzt zu unterhalten.

Und dann ging es nach Hause! Josia war so glücklich – und wir auch! Es ist immer gut, wenn solch ein Ausnahmezustand wieder vorbei ist.

Mitte letzter Woche war ich voller Zuversicht, dass unsere Tage im Krankenhaus gezählt sind und wir in den kommenden ein bis zwei Tagen entlassen werden. Immerhin hatten sich Josias Werte so gut entwickelt und ich war davon überzeugt, dass diese Lungenentzündung längst nicht so heftig ist, wie sie es im Jahr 2014 und 2015 war. Immerhin hatte es sich dieses Mal nicht über einen längeren Zeitraum hinweg angebahnt, sondern gefühlt über Nacht eingenistet.  Doch es kam anders als erhofft und wir mussten letztlich neun Tage in stationärer Behandlung verweilen.

Ich weiß nicht, wofür es gut war. Man kann mit Sicherheit nicht allen Ereignissen etwas Gutes abgewinnen; muss man meiner Ansicht nach aber auch nicht. Es gibt leider immer wieder Phasen in unserem Leben, die müssen wir einfach durchstehen. Die Frage ist dann nicht, ob es gut ist bzw. irgendein tieferer Sinn darin verborgen liegt, sondern, wie ich mich in der unvermeidlichen Situation verhalte. Denn oftmals ist das das einzige, worauf ich aktiv Einfluss nehmen kann!

Es lag nicht in unserer Macht, die Sauerstoffwerte von Josia zu verbessern. Wir haben getan was wir konnten, haben ihm Medizin verabreicht, mit ihm inhaliert, ihn zum Lachen gebracht – da er auf diesem Weg gut zum Abhusten angeregt wurde -, haben ihn während dem Schlaf hochgelagert und Tropfen in seine verstopfte Nase gegeben. Aber wir konnten seine Atmung nicht ändern und auch nicht das Husten für ihn übernehmen.

Mir wurde in diesen Tagen mal wieder schmerzlich bewusst, wie egozentrisch ich doch bin. Ich hatte keine Lust mehr auf dieses gespaltene Familienleben, auf den täglichen Schichtwechsel mit meinem Mann und das Gefühl, dass man daheim nur auf Kurz-Besuch ist und dabei weder den Kindern noch dem Haushalt gerecht wird. Ich wollte lieber in meinem eigenen Bett schlafen und nicht auf dieser unbequemen Pritsche umgeben von leuchtenden und piepsenden Gerätschaften. Es hat nicht in meine Pläne gepasst, dass wir die Hälfte unserer Weihnachtsferien um einen Krankenhausaufenthalt herum organisieren müssen, statt ungestörte Familienzeit und gemeinsame Unternehmungen genießen zu können. Aber wir wurden nicht gefragt.

Ehrlich gesagt können wir trotz allem voller Dankbarkeit sein. Immerhin war das Krankenhaus in erreichbarer Nähe und wir konnten die Last gemeinsam tragen und uns regelmäßig abwechseln. Wir kennen das ja auch anders. Es gab die passenden Medikamente, drei Mahlzeiten am Tag, Spielzeug und vieles mehr. Außerdem war Josia zu keiner Zeit in einem wirklich lebensbedrohlichen Zustand und es werden auch keine Spätfolgen bleiben. Unsere Kinder konnten sich mit Freunden treffen und bei Ausflügen dabei sein. Und wir hatten angenehme Zimmerkollegen (zwei Nächte mit Mama Afrika + Tochter  und anschließend eine süße zweijährige mit ihrer Mutter) und somit auch Ansprache und Abwechslung, wenn kein Besuch da war – auch sie durfte am gleichen Tag wie wir nach Hause gehen.

2 Kommentare

  1. Danke schön für deinen Artikel, für die Dankbarkeit, die trotz aller Not die Überhand behält – auch wenn man sie sich bewusst erkämpft! Ihr seid ein Vorbild und ERmutigung für andere. Danke, dass du diese Gedanken mit allen teilst, die diesen Blog lesen. Das ist so wertvoll. Gott segne euch!

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